Der prägende Designer des 20. Jahrhunderts

München feiert das 50-jährige Jubiläum der Sommerspiele 1972. Das Bild der Sommerspiele wurde auch durch die Piktrogramme und Plakate des Designers Otl Aicher bestimmt. Er war einer der prägendsten Gestalter des 20. Jahrhundert, der nun hundert Jahre geworden wäre.

 

Otto „Otl“ Aicher wurde am 13. Mai 1922 im schwäbischen Günzburg geboren. Bereits als Jugendlicher leistete Aicher Widerstand gegen die Vereinnahmung durch das NS-Regime. Später lehrte er mit der Überzeugung, demokratische Werte zu vermitteln um friedlich, frei und gleichberechtigt leben zu können.

Die Werte: Augustinus und die Weiße Rose

Als überzeugter Jungkatholik versuchte er sein Leben nach dem Wertmaßstab des Augustinus auszurichten. Als Schulfreund von Werner Scholl, einem Bruder von Hans und Sophie Scholl von der Widerstandsgruppe Weiße Rose, war er ein Gegner des NS-Regimes. Weil er sich weigerte der Hitlerjugend beizutreten, wurde er 1937 kurzzeitig verhaftet und durfte seine Abitur-Prüfung nicht ablegen. Nach seiner Einberufung verweigerte er sich der ihm angebotenen Offizierslaufbahn. Als 1943  Hans und Sophie Scholl hingerichtet wurden und 1944 sein Schulfreund Werner Scholl in Russland vermisst wurde, stand er der Familie Scholl bei.

Anfang 1945 konnte Aicher desertieren und holte kurz danach sein Abitur nach. 1946 begann er ein Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München und eröffnete bereits ein Jahr später sein eigenes Atelier in Ulm. Mit Inge Scholl, die älteste Schwester der Geschwister Scholl, war er 1946 Mitbegründer der Ulmer Volkshochschule, für die er bereits seine ersten Plakate gestaltete. 1952 heiratete er Inge Scholl, der 1959 geborene und spätere Architekt Florian Aicher ist ihr gemeinsamer Sohn.

 

hfg ulm: Das Mekka des Nachkriegs-Design

1953 gründeten Inge und Otl Aicher mit dem Schweizer Architekten und Künstler Max Bill die neben dem Bauhaus wohl international bedeutendste Design-Hochschule, die Hochschule für Gestaltung in Ulm (hfg ulm), deren Rektor Aicher von 1962 bis 1964 war. Von 1953 bis 1968 leitete er an der hfg ulm die Abteilung »visuelle kommunikation« (bis 1957 »visuelle gestaltung«), wo er Grafik, Fotografie, Typografie und technische Kommunikation lehrte. Nach 1959 lehrte er zudem als Gastprofessor in Rio de Janiero in Brasilien (Foto oben) und an der University Yale in den USA.

 

Gestaltungsbeauftragter für die Olympischen Spiele 1972

Das Design von Otl Aichner wurde einer breiten Öffentlichkeit aber vor allem durch seine Funktion als Gestaltungsbeauftragter von 1967 bis 1972 für die Olympischen Spiele in München bekannt. Gegen den massiven Protest des Grafischen Gewerbes wurde er auf direkte Anweisung des Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK) Willi Daume (1913–1996) und des Münchener Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel (1926 - 2021) auf diesen Posten berufen. Dabei entwickelte er ein bis heute international weit verbreitetes System von Piktogrammen (links) als Wegweiser und entwarf die Plakate (Bild oben links) für die Olympischen Sommerspiele 1972.

 

Rotis – Atelier und Schrifttyp

Danach entwarf erwarb er einen Bauernhof in Rotis / Leutkirch im Allgäu und entwarf in diesem Atelier Designs, unter anderem auch den Schrifttyp Rotis. Aicher ist einer der Wegbereiter des Corporate Designs (CO): So entstand noch an der Hochschule für Gestaltung Ulm das visuelle Erscheinungsbild der Lufthansa, das bis heute in einer leichten Modifikation verwendet wird. Stilbildend sind seine Entwürfe unter anderem auch für das CO des ZDF, ERCO Leuchten, Bulthaupt Küchen, Commerzbank oder des Flughafen Frankfurt.

Von Rotis wirkte er durch Arbeitstreffen, Präsentationen und Lehrveranstaltungen prägend auf eine ganze Generation von Designer, Architekten und Künstler, wie etwa der britische Architekt Norman Foster. Am 1. September stirbt Otl Aicher 69-jährig in Folge eines Verkehrsunfalls durch einen Zusammenstoß auf seinem Rasenmäher mit einem Motorradfahrer im Bezirkskrankenhaus Günzburg im Alter von 69 Jahren an seinen schweren Kopfverletzungen.

 

 

Bildnachweis: Foto oben groß: Otl Aicher in Brasilien, 1959, © Fundo Correio da Manhã; klein: Otl Aicher,  ©Timm Rautert; Plakat und Piktogramme: © Otl Aicher und Mitarbeiter