Der Ritter als Baumeister
Die Neue Pinakothek gleicht eher einem verwunschenen Schloß als einem kühlen Museumsbau. Ihr Schöpfer, Alexander von Branca, sah sein architektonisches Vorbild den auch in der Architektur des Stauferkaisers Friedrich II.
Leben
Alexander von Branca wurde am 11. Januar in Schwabing als Sohn eines Diplomaten und einer Malerin geboren. Er besuchte das Landschulheim Neubeuern. Während des Zweiten Weltkriegs 1941 besuchte er Abendkurse in der Zeichen- und Architekturschule Blocherer. Von Branca war Soldat, war aber während der Nazi-Herrschaft auch in Gestapo-Haft interniert. „In dieser Zeit gab ihm der Glauben viel Kraft.“ Der Sohn protestantischer Eltern trat zum katholischen Glauben über. „Mit dem Kriegsende fanden meine politische Inhaftierung und Lageraufenthalt ihr Ende. Die wiedergewonnene Freiheit war für mich – auch angesichts der entsetzlichen Verwüstungen und Trümmer – für mich ein Zeichen der geistigen Wiedergeburt.“
Von 1946 bis 1948 studierte er Architektur an der Technischen Hochschule München. „Ganz wichtig war für alle Architekten meiner Generation in München die wegweisende Einführung durch Professor Döllgast, dann im weiteren die Professoren Vorhoelzer und Elsässer.“ 1948 setzte er sein Studium dann an der ETH Zürich fort. Ab 1951 war er in einem eigenen Architekturbüro in München tätig.
Mindestens genauso wichtig für von Brancas Schaffen waren die Bauten aus dem Mittelalter. „Mein wesentliches Vorbild für die Gestaltung stadtbildprägender Bauten war die Architektur Friedrich II. von Hohenstaufen. In dieser Architektur wurde gezeigt, wie Monumentalität sich in richtiger Weise darstellt.“ Gleichzeitig nahm Branca die Revolution der Moderne in sich auf und verband sie in seinem eigenen Schaffen. „Die eigentlichen Vorbilder lagen bei mir sowohl in den Bauten der Vergangenheit, wie in den wagemutigen Schriften von Architekten wie Le Corbusier und natürlich die Architekten des Bauhauses in Dessau.“
1953 erhielt Branca zusammen mit Eduard von der Lippe die Künstlerische Gesamtleitung der Deutschen Verkehrausstellung in München, der größten Messe nach dem Ende des Krieges. Die Ausstellung sollte ein modernes, avantgardistisches Gepräge erhalten, weshalb überwiegend jinge Architekten und Künstler herangezogen wurde und von 1972 bis 1988 Kreisheimatpfleger von München. Von Branca und von der Lippe entwarfen den Pavillon der Leichtmetallindustrie, der mit einem verglasten Kopfbau weit über eine alte Brunnenanlage vorkragte, so dass der Bau förmlich über dem Wasser schwebte.“
Bekannt wurde von Branca jedoch als Baumeister von Kirchenbauten und der Neuen Pinakothek. Kennzeichnend für seine Architektur sind die Verwendung großflächiger Wände, Verblendungen mit Natursteinen und der Festungscharakter seiner 29 Kirchenbauten. „Die Funktion einer Kirche ist, die Menschen aus der Zerstreutheit in die Sammlung zu führen. Wenn ich Sammlung will, muß der Raum so sein, dass er Sammlung zuläßt.“
Alexander von Branca war in erster Ehe mit Theresa Freiin zu Guttenberg (1929–1953), und in zweiter Ehe mit Carolina Bernasconi verheiratet. Er lebte auf einem denkmalgeschützten Bauernhof in Miesbach, wo er am 21. März 2011 starb. Seine Tochter, Emanuela, mit der er zeitweilig gemeinsam als Architekt arbeitete, führt ein eigenes Architekturbüro.
Klosterkirche Herz Jesu Schwestern vom Göttlichen Erlöser (1953-1955, zusammen mit Herbert Groethuysen)
Auf dem Grundstück eines kriegszerstörten Klosters in der Buttermelcherstraße von Münchens Innenstadt erbauten von Branca und Herbert Groethuysen Schwesternhaus, Jugendheim und Kirche um einen Innenhof. Die Kirche schirmt den Innenhof von der Buttermelcherstraße ab.
Auf einem sehr schmalen Streifen Grundfläche errichteten sie die Klosterkirche als hohe, dreischiffige Halle. Es ist Münchens erste Stahlbetonkirche. Das Mittelschiff überspannt ein halbrundes Tonnengewölbe. Neben ihr gruppieren sich auf beiden Seiten vier quer angeordnete Tonnengewölbe der Seitenschiffe. Der Altar wird durch ein Oberlicht direkt beleuchtet. Er befindet sich auf einem erhöhten Podest und ist ein Werk Fritz Koenigs. Zwei Chorräume, durch niedrige Betongitter getrennt, befinden sich seitlich des Altars.
St. Matthias in Fürstenried (1962–1965)
Im Süden Münchens, auf den ehemaligen Parkanlagen des Schlosses Fürstenried, einer gegend die nun durch Geschosswohnungsbau aus den 1960-er und 1970er Jahre geprägt ist, erstellte von Branca einen burgähnlichen Rundbau. Der gesamte Baukomplex wird durch den roten Klinker geprägt. Betreten wird die Anlage mit mehreren Höfen durch den 20 Meter hohen Glockenturm. Die Besucher gelangen auf einen rechteckigen Vorplatz des Kirchenbaus. Dieser befindet sich auf einem quadratischen Grundriß, von dem sich kreisförmige Betonpfeiler erheben, die den Rundbau tragen.
Das Gebäude erinnert an Sep Rufs, nur wenige Jahre zuvor erbaute St. Johannes von Capistran in der Parkstadt Bogenhausen. Beide Kirchen sind als Rundbau errichtet und erhalten die Lichtquelle von einem Oberlicht (St. Johannes von Capistran) beziehungsweise von oben angebrachte Fensterschlitze (St. Matthias). Auch in der äußeren Erscheinung ähnelt der Klinkerbau dem Ziegelbau.
Die Anbetungskirche in Vallendar (1965-1968)
Das Gebäude auf Berg Schönstatt ist eine der heiligen Dreifaltigkeit geweihte katholische Kirche im Stadtteil Vallendar-Schönstatt. Durch ihre massive Natursteinbauweise hat sie einen festungsähnlichen Charakter und symbolisiert in ihrem Erscheinungsbild eine Gottesburg. Alexander von Branca hat die Architektur an mittelalterliche Burganlagen angelehnt, die die sich in großer Zahl auf den Bergen des Rheintals befinden. Die äußere Erscheinung wird von einer Bruchstein-Verkleidung beherrscht. Die drei 20 Meter hohen Türme sind als Symbol für die Dreifaltigkeit zu sehen. Als Gottesburg soll die Kirche die Standhaftigkeit des Glaubens bezeugen und in ihrem Innern Ruhe und Geborgenheit ausstrahlen. Unter dem Kirchenraum befindet sich eine Aula, in denen Kongresse wie die Oktoberwoche, das Jahrestreffen von Verantwortlichen der Schönstatt-Bewegung ausgerichtet werden.
Neue Pinakothek (1967-1981)
Die Neue Pinakothek in München wurde von Ludwig I. für seine Sammlung der europäischen Kunst des 19. Jahrhunderts geschaffen. 1853 wurde dafür die Neue Pinakothek nach Entwürfen Friedrich von Gärtners errichtet. Obwohl das Gebäude bei Bombenanschlägen des 2. Weltkriegs weniger zerstört wurde als Klenzes Glyptothek und Alte Pinakothek, wurde die Neue Pinakothek Anfang der 50er Jahre abgetragen.
Nach einem Ideenwettbewerb 1966/67 wurde Alexander Freiherr von Branca mit dem Neubau beauftragt. Der Wettbewerbsentwurf musste mehrfach geändert werden, da Diensträume für die Direktion der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Werkstätten, das Doerner-Institut und das Museumspädagogische Zentrum nachträglich berücksichtigt werden mussten. Brancas Architektur beinhaltet neben dem Galerietrakt daher den Verwaltungstrakt der bayerischen Staatsgemäldesammlung und das Doerner Institut. Am 16. Juli 1975 erfolgte die Grundsteinlegung und am 28. März 1981 wurde der postmoderne Neubau eröffnet.
Der postmodern eingestufte Neubau war unter Kritikern umstritten: Der Divergenz des modernen Stahlbetonbaus und der Fassadenverkleidung aus Donausandstein und Oberpfälzer Granit. Architekturkritiker bemängelten, dass die Architektur lediglich den Schein eines Natursteinbaus illusioniere. Die Architektur der Neuen Pinakothek bedient sich bewusst aus bekannten Formelementen wie Rundbogenfenster, Schlusssteine, Erker und Freitreppen. Allerdings legt Brancas abstrakter Umgang mit diesen Stilelementen dessen Intention offen: augenfällig funktionslose Wasserspeier spiegeln die Trennung von Funktion und Ästhetik wider. Ebenso verhält es sich mit der Divergenz von Stahlbetonbau und Natursteinfassade.
Während der Außenbau der Neuen Pinakothek durch unzählige, ineinander verschränkte Kuben definiert erscheint wurde der Architekt bei der Innengestaltung und Anordnung des Galerietraktes besonderen Wert auf die Funktion einer modernen Museumsarchitektur Wert gelegt. Grundrißkonzeption ist eine Wegeführung in zwei Schleifen, die die Besucher gemächlich durch beide Geschosse führt. Die Galerieräume sind in klassischen Proportionen angelegt und Oberlichter sorgen für eine angemessene Ausleuchtung der Gemälde. Die Raumabfolge ist chronologisch angeordnet. „Der Besucher sollte keine Pfadfindereigenschaften besitzen müssen, sondern, einem natürlichen ‚Gefälle’ folgend, die Raumabfolge ‚durchfließen’“ (Dipl. Ing. Alexander Freiherr von Branca, Architekt, in: Die Neue Pinakothek – photographisch erlebte Architektur. Photos von Michael Künne. München: Karl M. Lipp Verlag, S. 5). Trotzdem können die Besucher nahezu von allen Räumen auf kurzem Wege zum zentral gelegenen Foyer zurückzukehren.
Brancas Neue Pinakothek kann als eine der wichtigen Leistungen auf dem Gebiet der Museumsarchitektur des 20. Jahrhunderts gelten.
Anbau zum Beck-Verlag in München (1974–1978)
Der Architekt Roderich Fick galt in der Phase der Wiederaufbau Münchens nach dem Krieg als Vertreter des konservativen Flügels der Architekten. Bei allen seinen Bauten legte er Wert auf solides Handwerk, Materialgerechtigkeit und ausgewogene Proportionen. Bereits 1938 bis 1940 hatte er für den Verleger Heinrich Beck das Wohnhaus gebaut. In der Wilhelmstraße errichtete er dann zwischen 1948 bis 1950 das Verlagsgebäude, bestehend aus einem viergeschossigen Bürotrackt und einem dreigeschossigen Versandbau, die heute völlig zugewachsen sind. Mitte der 1970er-Jahre errichtete von Branca einen viergeschossigen, mit roten Ziegeln verkleideten Stahlbetonskelettbau. Das postmoderne Gebäude mit den weißen Fenstern ist durch überbrückte Verbindungsgänge mit dem Altgebäude verbunden.
Umbau des Bernheimer Haus am Lenbachplatz (1989-1994)
Die traditionsreiche Galerie des jüdischen Kunsthändlers Bernheimer wurde 1989 aufgegeben und durch Alexander von Branca in ein Geschäfts- und Bürohaus umgebaut. Projektentwickler war der später wegen Betrug verurteilte Baulöwe Schneider. Der noble neobarocke Bau war von Friedrich von Thiersch mit Martin Dülfer entworfen und 1888 erbaut und etwa zehn Jahre später erweitert worden.
Branca rekonstruierte die Fassaden und entkernte das innere des Gebäudes. Teilweise wurden dadurch aber originale Räume, wie der Gobelinsaal zerstört. Heute befindet sich ein Einrichtungshaus un den unteren Stockwerken, das Restaurant Lenbach im Hintergebäude sowie in den oberen Geschossen Büroflächen.