Funktionalisten mit Fantasie

 

Das Architekturbüro Auer + Weber + Assozierte hat seine Wurzeln in der demokratischen Architektur und des Olympischen Stadions von 1972.  Mittlerweile findet eine neue Generation von Architekten interessanten Lösungen der Ideen der Gründer Fritz Auer und Carlo Weber.

  

In der James Bond Verfilmung „Ein Quantum Trost“ (Original: Quantum of Solace) mit Daniel Craig kommt es zu einem dem Genre würdigen Finale in der bolivanischen Wüste: In einem futuristischen Hotel kommt es zu einer wilden Schießerei, in deren Folge explodierende Wasserstofftanks das Gebäude unter Feuersäulen zerstören. Zum Glück exiistiert das Hotel, das sich in Wirklichkeit nicht in Bolivien, sondern am Astronomischen Forschungszentrum ESO am Cerro Paranal in der chilenischen Atacama Wüste befindet. Gebaut hat das Hotel und Bürogebäude auf 2600 Meter über dem Meerespiegel am Ende der Welt das Architekturbüro Auer + Weber + Assozierte aus Stuttgart und München.

Die Prägung der Gründer

Als junge Architekten fanden Fritz Auer und Carlo Weber in das Büro von Günter Behnisch. Auer (*1933) studierte von 1954 bis  bis 1962 ­ unterbrochen von einem Studien und Arbeitsaufenthalt in Birmingham, Michigan sowie von einer Asienreise an der TH Stuttgart Architektur. Auch Weber studierte etwa zeitgleich an der TH Stuttgart und unterbrach sein Stuttgarter Aufenthalt ebenfalls durch ein Stipendium (für einen Aufenthalt an der École Nationale Supereure des Beux Arts in Paris). Beide arbeiteten mit Günter Behnisch ab 1960 zusammen und gründeten das Büro Behnisch & Partner, dem auch Winfried Büxel, Erhard Tränkner und Manfred Sabatke angehörten. Zusammen mit dem Landschaftsarchitekt Günther Grzimek und dem Architekten Frei Otto gehören sie zu den Planern und Gestaltern der zentralen Olympiabauten in München. Durch die Leichtigkeit und Offenheit der Bauten, eingebetet in einen Landschaftspark, entstand eine Linie der Architektur, die unter dem Namen der „südwestdeutschen Architektur oder „demokratische Architektur“ Bekanntheit erreichte. Dies wurde durch die 1972 von Fritz Auer und Carlo Weber gestalteten Bauten für die Bundesregierung- und Verwaltung untermauert. Die Transparenz der Bauten sollten auch für durchsichtige Entscheidungsprozesse der Demokratie stehen. Statt steinerne geschlossene Gebäude mit repräsentativen Anspruch standen die gläsernen Gebäude. Der 1973 entworfene Plan des neuen Deutschen Bundestags wurde  erst 1992-93 verwirklicht. Da hatten sich Fritz Auer und Carlo Weber bereits von Behnisch abgenabelt.

Das Büro und die Werke

1980 gründeten sie ihr eigenes Büro Auer und Weber. 2006 ging daraus das Büro Auer + Weber + Assozierte hervor. Neben den Gründern gehören die Geschäftsführer Moritz Auer, Philpp Auer, Jörn Scholz, Achim Söding und Stefan Suxdorf als Geschäftsführer und die Assozierten Martin Klemp, Jörg Müller, Stefan Niese, Christof Teige und Ilona Werz-Rein zur Führung des Büros mit rund 100 Mitarbeitern an beiden Standorten Stuttgart und München.

Während in den 1980er Jahren der Schwerpunkt der Bauten noch bei öffentlichen Verwaltungsgebäuden und Schulen und im süddeutschen Raum lag, erweiterte sich das Spektrum bezüglich der Art der Bauten und der Standorte ab den 1990er Jahren. Auer und Weber gewannen mit ihrem Entwurf den Wettbewerb des Deutschen Pavillion für die Expo in Sevilla 1992 (Skizze oben, Bild des Model links), der aber leider nicht zu Ausführung kam.

Realisiert wurden dagegen die Gebäude, die bald für Aufsehen sorgten, die Flughafenverwaltung und das Betriebsrestaurant am neuen Flughafen München, das Theatergebäude in Hof (1994), das Offizierskasino in Dresden (1998), das Zeppelin Carré in Stuttgart (1998), das erwähnte ESO Hotel am Cerro Paranal in Chile (2002), das Ausstellungsgebäude in der Brühlschen Terrasse in Dresden (2005), die solarCity in Linz (2005), der Botanische Garten in Shanghai und centre des Sports Belair in Luxemburg (beide 2009) sowie das Seminargebäude Gut Siggen in Ostholstein (Bild links). Die unten vorgestellten Bauten konzentrieren sich auf den Großraum München.

Flughafenverwaltung und Betriebsrestaurant (1992)

Auf einer Wiese an der S-Bahn-Station Besucherzentrum des Flughafen Münchens wurde von Auer und Weber das Gebäude für die Flughafenverwaltung und das Betriebsrestaurant erstellt. Das mehrgeschossige Verwaltungsgebäude setzt sich aus mehreren in einander verbundenen rechteckigen  Glas- und Stahlgebäude zusammen, die im Osten gegenüber dem Betriebsrestaurant durch einen Rundbau abschließt. Beide Gebäude sind durch einen gläsernen Regenschutz miteinander verbunden.

Das Betriebsrestaurant, das im Südosten durch einen spitzzulaufendes Wasserbassin begrenzt wirkt, besticht durch seine Transparenz der gläsernen Fassaden und durch seine Leichtigkeit der Bauweise. Gegenüber dem Verwaltungsgebäude beinhaltet der Gebäudekomplex eine Sporthalle, deren Höhe Keller- und Erdgeschoss einnimmt. Das Dach wurde begrünt mit einem Alpinum.

U-Bahnhof-Station Westfriedhof  (1998)

Zur Beschreibung siehe den Beitrag „Kathedralen der Moderne“ zu Münchens U-Bahn-Stationen.

 

Alter Hof (2006)

Der Baukomplex des Alten Hofes gehört zu den ältesten und zentralsten Gebäuden Münchens. Allerdings wurden große Teile davon bereits während der Säkularisierung abgerissen und neuerrichtet. Auch wurde ein wesentlicher Gebäudeteil nach dem Zweiten Weltkrieg durch Fliegerbomben zerstört und nur in reduzierter Form wieder erbaut. Trotzdem waren strenge Vorgaben der Denkmalspflege zu beachten, als der bisherige Nutzer, die Finanzverwaltung aus dem Gebäude auszog und  private und institutionelle Investoren den Komplex erwarben. Während die Flügel an der West- und Südseite, wie der von dem Kölner Architekten Peter Kulka gestaltete Innenbereich des Lorenzistocks, im wesentlichen die alte Bausubstanz beibehielt, wurden andere Bereiche vollständig abgerissen und neu erstellt. Vorgabe der Investoren war es, wegen der hohen Grundstückspreise der zentralen Lage eine maximale Geschossfläche zu generieren. Die Planung der Neubauten des Alten Hofes – den so genannten Pfisterstock im Nordosten und den Brunnenstock an der Ostseite übernahmen Auer + Weber + Assozierte mit dem Anspruch, „in der präzisen Ausformung der Details die moderne Haltung der Neubauten unmissverständlich kenntlich zu machen.“

Die Fassade des Pfisterstocks besteht zwar in der Nord- und Ostseite aus Altbürger Kalkstein und ist im Hof weiß verputzt – dies sind allerdings auch die wenigen Zugeständnisse an die alte Erscheinung des Hofs. Eindeutig modern sind die dunklen Fensteröffnungen, der Hofdurchgang nach Osten zu Sparkassenstraße mit seiner brünnierten Messingverkleidung.

Das Problem größtmöglichster Ausnutzung der Geschossfläche wurde durch die optimale Ausnutzung der Räume unterhalb des Daches gelöst. Hinter ziegelfarbigen Lamellen verstecken sich die Einschnitte der Dachterrassen. An der Seite zur Straße wurden große Dachflächenfenster angebracht, die von unten aus wegen der Dachschräge nicht wahrzunehmen sind. Von Innen bieten sie genügend Aussicht aus den beiden Dachgeschossen und sorgen für Helligkeit. Das obere Dachgeschoss ist aufgrund seiner Höhe noch mit einer Galerie ausgestattet.

Entlang der Sparkassenstraße wurde an einem Gebäudeteil eine Aluminiumfassade angebracht. Die teilweise verschiebbare Paneelen erinnern mit ihrem gestanzten Perforationsmuster an einen bewegten Wasserspiegels des ehemals hier durchlaufenden Pfisterbachs.

Campus Martinsried (2009)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Westlich vom Klinikum Großhadern wurde zwischen 1970 und 1972 das Max-Planck-Institut für Biochemie und Neurobiologie errichtet. Dieses Areal wurde durch die Verlagerung von Institute der Ludwig-Maximilians-Iniversität dieses Wissenschaftsbereich in den vergangenen Jahren deutlich erweitert.

Auer + Weber + Assozierte errichteten dafür das Mensa-Gebäude. Ursprünglich sollte das Gebäude, ähnlich dem von den Hamburger BRT Architekten entworfene Verwaltungsgebäude der Swiss Life in Unterföhring, durch ein bewachsenes Rankgerüst beschattet werden. Wegen des aufwendigen Unterhalts wurde diese Idee des Sonnenschutzes aufgegeben. Stattdessen wurde ein Gitterwerk aus Lärchenholzlatten realisiert. Eine direkt am Gebäude angebrachte Hecke soll verhindern, dass die Holzkonstruktion von den Studenten als Klettergarten missbraucht wird.

60 Zentimeter hinter dieser Holzgitterschicht befindet sich das eigentliche Gebäude. Der zweigeschossige Stahl- und Glasbau enthält im Erdgeschoss die Eingangshalle, Büros und eine Kita, darüber die eigentliche Mensa, die auch durch Aein Atrium und Balkone Sitzmöglichkeiten im Freien bietet.

 

 

Das Gebäude vermittelt durch die Verwendung von Signalrot des Treppenaufgangs, der Kita-Türen und einzelner Einrichtungsgegenstände mit der Helligkeit der Räume einen freundlichen Grundton. Die Mensa wird dadurch nicht nur zum reinen Ort der Nahrungsaufnahme für Studenten, sondern auch zum Kommunikationszentrum und Oase zum kurzfristigen Abschalten vom Lerndruck.

 

Zentraler Omnibus Bahnhof ZOB (2009)

Zwischen Arnulfstraße und den Gleisanlagen, direkt an der Hackerbrücke fällt bereits von weitem durch seine

 silberne Verkleidung Münchens neuer Omnibusbahnhof auf. Äußerlich weckt das stromlinienförmige Gebäude Assoziationen an einen ICE, einen Greyhound-Bus oder an eine Schiff. 

Weil eine für die Deutsche Bahn unliebsame Konkurrenz vom deutschen Gesetzgeber im innerdeutschen Busverkehr nur graduell zugelassen ist, müssen sich die privaten Busbetreiber auf ausländische Ziele wie Osteuropa konzentrieren. Der Betreiber der Immobilie will sich deshalb nicht nur auf diese Mieter verlassen und bietet deshalb ein hybrides Geschäftsmodell aus Busbahnhof, Ticketverkauf, Ladenpassage und Bürozentrum an. Dass das Gebäude trotz dieser unterschiedlichen Funktionen wie aus einem Guss wirkt, ist dem planerischen Konzept der Architekten zu verdanken.

Der eigentliche Busbahnhof befindet sich auf dem Stockwerk auf dem Niveau der Gleisanlagen und der Straßenanbindung im Unterbau. Unter der Hackerbrücke besteht ein Durchgang zum Büroviertel des Arnulfparks. Auf dem unteren Niveau liegt die seitlich geöffnete Halle mit den Abfahrtrampen für die Omnibusse, darunter wurde zudem eineDiskothek eingeplant.

Darüber befindet sich auf Betonpfeilern aufgestützt der Gebäudeteil mit der Ladenpassage. Der Zugang erfolgt entweder über Treppen von der Ebene der Busbahnhofshalle oder über einen Steg von der denkmalgeschützten Hackerbrücke. Die Passage bietet Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants. Im Stockwerk darüber befinden sich die Ticketverkaufstellen der Buslinien. Zudem sind dort in einem kammartigen Gebäudestruktur Büros untergebracht. Die Verkleidung aus Aluminiumrohren vermittelt nach Außen das silberne Erscheinungsbild, lässt aber noch genug sonnengefiltertes Licht in die Büroräume herein.

 

 

 

Umbau und Erweiterung der Olympiahallen (2010)

Mit der Sanierung und Erweiterung der Olympiahallen kehren die Bürogründer Auer und Weber zur ihrem ersten weltberühmten Projekt zurück. 1965 hatten sie ihm Büro von Günther Behnisch nach der Idee von Frei Otto das transparente Zeltdach und die Bauten des Olympiastadions, der Olympiahalle und der Schwimmhalle entworfen.  

 

 

 

 

 

 

Die Olympiahalle als Veranstaltungsort von internationalem Rang wird, insbesondere im Bereich der gastronomischen Einrichtungen, modernisiert und erweitert, um künftig eine optimierte Versorgung der Besucher zu ermöglichen. Ein neues Restaurant, das Coubertin, mit 500 Sitzplätzen und Biergarten sowie eine Reihe fest installierter Kioske heben die gastronomische Versorgung auf ein zeitgemäßes Niveau. Innerhalb der Arena werden darüber hinaus die Ver- und Entsorgungsbereiche als auch die gastronomische Produktion, die Ehrengastbereiche, Tribünen, der Pressebereich sowie die Membrandecke der Halle modernisiert.

 

 

 

 

 

Auf der Ostseite der Olympiahalle wird ergänzend eine neue Veranstaltungshalle für 4.000 Besucher, die „Neue Kleine Olympiahalle“ realisiert, die aufgrund ihres baulichen Volumens, um sich architektonisch dem Ensemble der Olympiabauten unterzuordnen, unterirdisch angelegt ist. 

Weitere Informationen zu der Umgestaltung findet sich in einem von dem Architekturbüro zusammengestellten Brochüre/pdf.

 

Werke (Auswahl)

1987: Landratsamt Starnberg, Starnberg

1992: Verwaltungsgebäude der FMG Flughafen München

1993: Volière im Tierpark Wilhelma, Stuttgart

1995: Stadthalle und Bibliothek Germering, Germering

1998: Umgestaltung Ruhrfestspielhaus, Recklinghausen

1998: U-Bahnhof Westfriedhof, München

2001: Prisma Haus, Frankfurt am Main

2002: ESO Hotel am Cerro Paranal, Chile

2003: SolarCity in Linz, Österreich

2003: Max-Planck-Institut für Biophysik (MPIBP), Frankfurt am Main

2006: Kreissparkasse in Tübingen, Tübingen

2009: LfA Förderbank Bayern, Königinstraße 17, 80539 München

2009: ZOB Zentraler Omnibusbahnhof, München

2010: LUXUN Hochschule für Bildende Kunst, Campus Dalian, China 

2010: Chenshan, Shanghai, China

2010: Bürogebäude Rivergate, Wien

2011: Kleine Olympiahalle, Olympiapark, München

2012: Technisches Betriebszentrum mit Verkehrsleitzentrale, München

2013: ESO Headquarter Erweiterung, Garching

2013: Azur Arena, Antibes, Frankreich

2014: Umbau Kaufhaus Schocken (Erich Mendelsohn) in Smac – Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz, Chemnitz

2015: Europäische Schule Straßburg, Frankreich

2015: LILLIAD, Universität Lille, Villeneuve d’Ascq, Frankreich

2015: Freizeit- und Wellnessbad „Aquamotion“,Courchevel, Frankreich

2014: U-Bahn-Verteilerebene Hauptbahnhof München, München

2016: Freizeit- und Wellnessbad Sourcéane, Douai, Frankreich

2017: Schulzentrum Obermenzing, Obermenzing, München

2017: Inselhalle Lindau, Lindau

2017: Sporthallen des Städtischen Adolf-Weber-Gymnasiums München

im Bau/Planung:

Wohn-/Geschäftshaus Pasinger Marienplatz, München

Hauptbahnhof München, München

Stadtmuseum München, München

Airport Academy, Flughafen München

Weitere Informationen

enthalten der Internetauftritt des Büros Auer + Weber + Assoziierte. und das im Jovis Verlag verlegte Buch Falk Jaeger: Auer + Weber + Assoziierte, Portfolio