Wiener Dekonstruktivisten an der Isar

Am klassischen Marstallgebäude Leo von Klenze sorgt ein silbernes stachelartiges Ungetüm für Ratlosigkeit. Es ist der neueste, wenngleich nur für beschränkte Zeit errichtete Bau der Wiener Avantgardisten Coop Himmelb(l)au.

Die Schöpfer dieses Gebäudes sind in München bereits mit wesentlich größeren und bekannteren Bauwerken vertreteten: der BMW-Welt und dem Erweiterungsbau der Akademie der Bildenden Künste. 

Coop Himmelb(l)au) ist ein 1968 in Wien von Wolf D. Prix, Helmut Swiczinsky und Michael Holzer gegründetes Architekturbüro. Geleitet wird das Atelier heute von Wolf D. Prix, Wolfdieter Dreibholz, Harald Krieger, Karolin Schmidbaur und Projektpartnern geführt. 1988 waren in der von Philip Johnson kuratierte Ausstellung Deconstructivist Architecture im Museum of Modern Art auch Arbeiten von Coop Himmelb(l)au ausgestellt. Obwohl das Wiener sich selbst nie offiziell zu der Dekonstruktivisten Architekten gezählt hat, bestehen dich Ähnlichkeiten in der Arbeitsweise und der Architektursprache. Zu bedeutenden Vertretern dieser Stilrichtung gehören Frank Gehry, Daniel Libeskind, Rem Koolhaas, Peter Eisenmann, Zaha Hadid und Bernard Tschumi.

 

Dach über der Wiener Ringstraße (1988)

Für eine Rechtsanwaltskanzlei sollte der Sitzungssaal mit einigen kleineren Büros ins Dachgeschoß eines Altbau verlegt werden.
 Der Raum wurde visuell mutig und dynamisch gestaltet. Der Diagonalbogen der Hauptkonstruktion fährt wie ein Blitz durch den Raum, der wie eine Vogelschwinge über das Nest hinausschießt. 
 Der Dachaufbau ist insofern auch eine „Architektur des Ortes“, als diese die luftige Situation über der Traufe eines Ringstraßenhauses zur Wirkung bringt und nicht nur ein Innenraumerlebnis, sondern auch ein neues Stadtraumerlebnis vermittelt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ufa-Kristallpalast (1998)

Erstes in Deutschland realisiertes Gebäude ist der Ufa-Kristallpalast auf der Pragaer Straße in Dresden, ein Kinobau in der Dresdner Innenstadt. Als dekonstruktivistisches Gebäude steht es in Kontrast zu den während der DDR entstandenen umliegenden Plattenbauten. Die Außenfassade bildet in sich einen Gegensatz zwischen Beton- und Glasarchitektur. Durch den gläsernen Teil der Außenumkleidung, der von einem Stahlskelett gehalten wird, entsteht eine kristalline Struktur, der dem Gebäude den Namen gab.

 

 

 

 

Gasometer B in Wien (1999-2001)

 

Für Aufsehen sorgte auch die zwischen 1999 bis 2001 revitalisierte und umgebaute Gasometer, einem Wahrzeichen des 11. Wiener Bezirks Simmering.  Die vier riesigen ehemalige Gasbehälter aus dem Jahre 1896 wurden je von einem Architekten(team), Jean Nouvel, Coop Himmelb(l)au, Manfred Wehdorn und Wilhelm Holzbauer gestaltet.  Der von Coop Himmelb(l)au gestaltete Gasometer B  weist als einen schildartigen Zubau ein 18-stöckiges Wohngebäude auf.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Akademie der Bildenden Künste, Erweiterungsbau, München (2005)

Die Akademie ist eine der bedeutendsten und eine der ältesten Kunsthochschulen Deutschlands. So studierten hier Otto Mueller, Wassily Kandinsky, Alfred Kubin, Paul Klee, Franz Marc, Richard Riemerschied und Giorgio De Chirico. Es lehrten hier unter anderem Franz von Stuck, Sep Ruf und Georg Meistermann.

Mit den französischen Reparationszahlungen aus Bismarcks Einigungskrieg gegen Frankreich 1871 wurde zwischen 1874 bis 1875 ein pompöser Neorenaisance-Palast nach Plänen von Gottfried von Neureuther errichtet, der zwischen 1909 und 1912 von dem Architekt Friedrich von Thiersch erweitert wurde. Im Rahmen einer umfangreichen Generalsanierung wurde auch ein wettbewerb für einen Erweiterungsbau der Akademie ausgeschrieben, den Coop Himmelb(l)au gewann. Der damalige Akademiepräsident, der Maler Ben Willikens, gründete für die Finanzierung extra die „Stiftung der Kunstakademie München“. 

 

 

Am 26. Oktober 2005 wurde der moderne Erweiterungsbau eingeweiht.

Der silbern glänzende Erweiterungsbau mit schrägen Glasschild und Beton-Vordach steht ohne Bezug neben dem Neorenaissance-Bau. Das Gebäude ist in einer Stahlbetonskelettbauweise errichtetet und die auskragenden Teile – die den Bau auszeichnen – sind in einer Stahlfachwerkkonstruktion realisiert. Diagonale Rampen und Stege durchkreuzen das Innere und verbinden die Ateliers, Werkstätten und Büros.

Kritik an der dekonstruktivistischen Baucollage übten allerdings nicht nur viele eher einem konservativen Baustil anhängenden Bürger, sondern auch etliche Architekten.

 

 

 

 

 

 

 

 

BMW-Welt, München (2003-2007)

In unmittelbarer Nähe zu Münchens Wahrzeichen, dem Zylinderförmigen BMW-Turm des Architekten und gegenüber dem Zeltdachbauten des Olympiastandions und Hallen, wollte BMW ein Erlebnis- und Auslieferungszentrum erstellten. Coop Himmellb(l)au setzte sich mit seinen Entwurf gegen Wettbewerber wie Auer + Weber + Assozierte durch.

Zwischen 1993 und 2007 entstand eine riesige Gebäude-Skulptur. Weil die gläserne Wände zum Teil nach innen gewölbt sind und Öffnungen Durchblicke ermöglichen, wirkt der Bau., wie eine dunkle „Wolke“ ohne Fassaden. Unter einem 15.000 Quadratmeter hohem scheinbar schwebenden Daches befindet sich eine Halle. 

 

 

 

Der weitgehend stützfreier Raum ist nach den verschiedenen Funktionen flexibel nutzbar. Insgesamt ersteckt sich das Gebäude über drei unterschiedliche Raumhöhen von acht bis 20 Metern Höhe.

Markantes Element ist ein gläserner Doppelkegel gegenüber dem BMW-Turm, der einen keilförmige Öffnung durch das Gebäude freigibt und das Dach trägt. Der Kegel enthält im Inneren eine Spiralrampe, die die verschiedene Ebenen miteinander verbindet. Zudem stellt von außen eine eine geschwungene Brücke die Gebäudeareale des BMW Turms und des BMW-Museums mit der BMW-Welt. 

 

 

 

 

 

Pavillion 21 Mini Opera Space am Marstallplatz, München (2010)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vergangenes Jahr wurde der silbergezackte Pavillion für die Münchner Opernfestspiele erstmals am Marstallplatz aufgestellt. Die schrägen Wände und wilden Prismen sollen durch Oberflächenvergrößerung und Schallabsorption die Akustik der Mini-Oper optimieren. Der temporäre Bau wirkt denn auch leicht provisorisch: Hinter der perforierten Aluminium-Fassade zeichnet sich die Stahlkonstruktion ab. Als Ersatz für einen roten Teppich dient eine mit rotem Granulat beschichtete Rampe. Innen bietet der optisch explöodierend Baukörper Platz für 300 Besucher und ist in seiner Gestaltung von  Bühne, Bestuhlung und Bankett-Gestaltung völlig variabel sein. Der komplette Pavillon kann in seine Einzelteile zerlegt, ab- und wieder aufgebaut werden. Nun steht er wieder für die Münchner Opernfestspiele und sorgt für heftige Reaktionen unter den Passanten. Auf jeden Fall fällt die 2,1 Millionen Euro teure mobile Spieloper auf und bleibt niemanden gleichgültig. Immerhin: Für das Gebäude wurde auch ein Sponsor gefunden: die zum BMW-Konzern gehörende Automarke Mini. Bezogen auf die BMW-Welt herrscht also Markentreue zu den Wiener Architekten.

 

 

Skytower, Europäische Zentralbank Frankfurt am Main (2006-2014?)

Das größte Gebäude der Wiener Architekten entsteht zwar in Deutschland, nicht aber in München. Als neue Bleibe für die Europäische Zentralbank entsteht ein 185 Meter hoher Turm auf dem Areal der ehemaligen Großmarkthalle im Frankfurter Ostend. Der dekonstruktivistische Gebäudekomplex kann als Symbol für die Gigantonomie und die Undurchschaubarkeit der europäischen Behörde und der europäischen Einheitswährung gesehen werden. 

Der ursprüngliche Sieger-Entwurf des Architekturbüro Coop Himmelb(l)au sah ein Gebäudekomplex aus zwei polygonalen Zwillingstürmen auf einem der Großmarkthalle parallel angeordneten Konferenzraumgebäude, einem sogenannten„Groundscraper“, vor. In der Überarbeitungs- und Optimierungsphase wurde dieser Entwurf stark verändert. 

Das ursprüngliche Konzept wurde mehrfach überarbeitet und das Konferenzzentrum zunächst niedriger gestaltet sowie der Turm zugunsten der Sicht auf die Halle verschoben.Im letzten Entwurf, der im November 2006 im Rahmen der abschließenden Planungsphase veröffentlicht wurde, ist kein Groundscraper mehr vorgesehen. Das Konferenzzentrum soll sich stattdessen in der Großmarkthalle befinden. Neben den Konferenzräumen ist dort außerdem ein Restaurantbereich vorgesehen. Ein Querriegel durch das Hallendach stellt dabei die Verbindung dieser Räume in der Halle mit den Büroräumen im Hochhaus her und dient gleichzeitig als Eingangsbereich im Norden des Komplexes. Das Hochhaus selbst soll aus zwei ineinander verschlungene und durch ein Glasatrium verbundene Türme bestehen, wobei der Südturm bei 43 Geschossen 165 Meter hoch wird, der Nordturm mit 45 Geschossen 185 Meter. Die Höhe des Gebäudes inklusive Antennenmast wird etwa 220 Meter betragen. Das Hochhaus wird Platz für 2300 Arbeitsplätze der Zentralbank bieten. Die wichtigsten Änderungen, die den Skytower betreffen, sind die neue schräge Dachform sowie ein verbesserter Sonnenschutz, der die Energieeffizienz des Gebäudes erhöhen soll.

Nach Probleme in der Vergabe an einen Generalunternehmer, vergab die EZB den Bau aufgeteilt in 15 getrennte Gewerke. Die Bauarbeiten haben im Februar 2010 begonnen. Fertigstellung des Bauwerks und Einzug sind für 2014 vorgesehen.

 

Weitere Informationen

Gibt es auf der Internetseite von COOP Himmelb(l)au.