Quereinsteiger erhält DAM-Preis für Europäisches Hansemuseum

Der Architekturpreis des Deutschen Architekturmuseums – DAM Preis – geht 2017 an Studio Andreas Heller Architects & Designers aus Hamburg für das Europäische Hansemuseum in Lübeck. Der ehemalige Bühnenbildner Andreas Heller ist ein Quereinsteiger der Architekturbranche. 

 

Die enorme Breite an differenzierten und langfristig wirksamen städtebaulichen Lösungen gab den Ausschlag für die Juryentscheidung zugunsten des Europäischen Hansemuseums.  Das Gesamtprojekt besteht nicht nur aus einem neuen Ausstellungsbau, sondern verlangte zugleich eine Stadtreparatur einschließlich der Wiederherstellung verloren gegangener Wegebeziehungen und die Sanierung eines Ensembles, das baugeschichtlich vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert reicht.

Mit dieser Stadtreparatur inmitten des UNESCO-Weltkulturerbes Lübecker Altstadt ist dem selbst ausgebildeten Architekten Andreas Heller sein (bisheriges) Meisterwerk gelungen. Zusammen mit der Possehl-Stiftung in Lübeck als größtem Geldgeber der Europäisches Hansemuseum Lübeck gemeinnützige GmbH erarbeitete Hellers multidisziplinäres Team aus Architekten, Grafik-, Kommunikations- und Industriedesignern sowie Geisteswissenschaftlern die Grundlagen für das Hansemuseum. Das gilt auch für die archäologischen Grabungen, die das spätere Raumprogramm und die endgültige Gestaltung prägten. Mehrere Jahre arbeitete das vielköpfige Team schließlich am Entwurf und der 1:1-Detaillierung, Beauftragung und teilweise sogar Erstellung der Ausstellungsexponate.

Vom Städtebau über die denkmalgerechte Wiederherstellung des Lübecker Burgklosters mit Atrium, die Einfügung von topografischen Elementen wie Außenterrassen und die Entwicklung neuer Verbindungswege, die Ausgrabungen im historischen Hang und den Neubau eines Museums über den Grabungen stammt alles aus einer Ideenschmiede. Ebenso wie die Konzeption und Realisierung der Dauerausstellung, die Gestaltung der gesamten Grafik, von Briefbögen bis hin zu den Außenelementen, und schließlich sogar die Dekorationen in dem heimeligen kleinen Fachwerkcafé.

Allein die städtebauliche Setzung des Museumsneubaus und seine architektonische äußere Gestalt zu würdigen, könnte man als abgeschlossene Übung betrachten, würde aber dem Anspruch des Gesamten nicht gerecht. Sicher, wie der Architekt mit einem neu gebrannten und handgefertigten dänischen Backstein, durch unregelmäßige Sprünge und Materialwechsel, Maßstab und Struktur in eine große lange Ufermauer bringt, ist einerseits fiktive Geschichtserzählung, andererseits illustrierende Tektonik. Linien, die in den Boden eingraviert die Geschichten von abgerissenen Vorgängerbauten zu erzählen vermögen – von engen Gefängnishöfen und von einem Wärter, der von oben aus einem Panoptikum auf sie hinunterschaut –, erzeugen das Bewusstsein für die geschichtlichen Zusammenhänge.

Diese Zwitterhaltung zwischen der Welt der Inszenierung und der Welt der Architektur und sogar des Städtebaus nimmt das Studio Andreas Heller Architects & Designers mit diesem Bau sehr erfolgreich ein. Daher votierte die Jury, unter der Leitung von Volkwin Marg, fast einstimmig für das Europäische Hansemuseum in Lübeck als Gewinner des DAM Preises für Architektur in Deutschland 2017.

Die weiteren Finalisten

Neben dem Hansemuseum war als zweites Ausstellungsgebäude die von kadawittfeldarchitektur aus Aachen entworfene Grimmwelt in Kassel unter den Finalisten. Die beiden Gebäude haben in vielen Aspekten Gemeinsamkeiten: Es sind mittelgroße Museen, auf den Denkmalschutz für die Reste von Vorgängerbauten war zu achten, im Gefüge der Stadt sollten brach gefallene Bereiche wieder aktiviert und neue Orte für das öffentliche Leben geschaffen werden. Absolut konträr hingegen sind ihre museologischen Ansätze.

Eine Besonderheit des dritten Finalistengebäudes, der Generalsanierung und Aufstockung eines Wohnhochhauses am Pforzheimer Hauptbahnhof durch Freivogel Mayer Architekten, lässt sich im Rahmen einer Ausstellung, die das Neue vorstellen möchte, nicht darstellen: Das Haus blieb fast vollständig bewohnt. In den Bestandswohnungen wurden nur möglichst geringe Eingriffe durchgeführt. Dennoch ist unter energetischen Aspekten ein wegweisendes Gebäude entstanden, das zugleich den Bewohnern mit neu vorgesetzten Loggien einen deutlich gesteigerten Wohnwert bietet. Den eher umgekehrten Weg musste Thomas Kröger aus Berlin gehen. Die von ihm umgebaute Scheune in der Uckermark (siehe Bild links) – der vierte Finalist – war ehedem ein Stall, mit allen Komplikationen, die das für eine Nutzung als Wohngebäude bedeutet. Die Umnutzung ist auch ein wichtiger Baustein, um den kleinen Ort Fergitz am Leben zu erhalten. 

Wettbewerbsprozedere geändert

Mit diesem Jahrgang hat der DAM Preis für Architektur in Deutschland eine konzeptionelle Neubestimmung erfahren. In den vergangenen neun Jahren wählte eine jeweils neu zusammengesetzte Jury rund zwanzig Bauten in Deutschland aus. Eines dieser Gebäude erhielt mit dem DAM Preis eine besondere Würdigung.

Dieses Prinzip wurde nun erweitert. Die Grundlage der Juryauswahl wurde vom DAM in Zusammenarbeit mit den Architektenkammern der Länder recherchiert. Auf dieser Basis entstand im DAM eine Longlist von 100 Gebäuden. In intensiven Diskussionen während der ersten Sitzung im Mai 2016 wählte die Jury aus diesem Spektrum 21 Bauten in Deutschland für die Shortlist aus. Dazu kommen – außer Konkurrenz – drei Bauten deutscher Büros im Ausland. Der Preisträger wurde erstmals nicht direkt auf der Jurysitzung ermittelt. Stattdessen hat die Jury aus der Gruppe der Bauten auf der Shortlist zunächst vier Finalisten ausgewählt und auf einer Juryfahrt im September besucht. In einer abschließenden Jurysitzung fiel die Entscheidung für den DAM Preis 2017 auf das Europäische Hansemuseum in Lübeck von Studio Andreas Heller Architects & Designers.

Der Jury unter Vorsitz von Volkwin Marg (gmp Architekten von Gerkan Marg und Partner) gehörten Kristina Bacht (AIT Architektursalon), Christian Budde (DAM), Donatella Fioretti (Bruno Fioretti Marquez Architekten), Christian Neuburger (Neuburger Bohnert Müller Architekten), Peter Cachola Schmal (DAM), Michael Schuster (Jung), Yorck Förster (DAM) und Christina Gräwe (DAM) an.

 

 

Ausstellung zum DAM Preis 2017

Zeit: 28. Januar  - 30. April 2017

Ort: Deutsches Architekturmuseum (DAM), Schaumaninkai 43, Frankfurt am Main

Quelle: Pressemeldung DAM vom 27.01.2017

Bildnachweis: alle Fotos vom Europäisches Hansemuseum Lübeck von Werner Huthmacher; Foto von Landhaus, Fergitz (Innenaufnahme) , TKA Thomas Kröger Architekten, von Thomas Heimann