Duelfer

Er gilt als Wegbereiter des Jugendstils und  sorgte mit seinen eigenwillig gestalteten Fassaden nicht nur um die Jahrhundertwende für Aufsehen. Mit seinen prächtigen Gebäuden prägte er Teile von Schwabings Straßen und das Villenviertel Gern. Heute stehen viele von Martin Dülfers Münchner Bauten unter Denkmalschutz.

 

Martin Dülfer wurde am 1. Januar 1859 als Sohn des Verlagsbuchhändlers Carl Dülfer in Breslau geboren. Nach dem Realgymnasium in Breslau besuchte er zunächst die Gewerbeschule in Schweidnitz südwestlich von Breslau. 

Danach studierte Martin Dülfer von 1877 bis 1879 an der Technischen Hochschule Hannover bei Conrad Wilhelm Hase und von 1879 bis 1880 an der Technischen Hochschule Stuttgart bei Christian Friedrich von Leins.

Nach seiner Militärdienstpflicht (1880 bis 1881) arbeitete der junge Architekt in dem Berliner Architekturbüro von Heinrich Kayser und Karl von Großheim, später in seiner Heimatstadt Breslau im Architekturbüro Brost und Grosser. 1885 bis 1886 vollendete er sein Studium an der Technischen Hochschule München bei Friedrich von Thiersch, mit dem er zusammen auch das Haus Bernheim gestaltete.

1887 machte sich Dülfer in München selbständig und baute in der neobarocken Variante des Historismus. Um 1900 wandte er sich dem Jugendstil zu arbeitet zeitweise Paul Ludwig Troost zusammen. Es entstanden Fassadenentwürfe, Geschosswohnungsbauten, Geschäftshäuser und Villen für das gehobene Bürgertum. 

Dülfer entwickelte dabei eine eigene Ornamentik und Gestaltungsmuster mit floralen, geometrischen und texturalen Elementen, dass er mit barocken und klassizistischen Stilelementen zu einem individuell geprägten, barockisierenden Jugendstil verband. 

Heute stehen viele seiner Jugendstilbauten unter Denkmalschutz (zum Beispiel in der Schellingstraße. 26, Kaulbachstraße 22-26, Franz-Joseph-Straße 11 oder Bayerstraße 57/59). 

Für die Weltausstellung in St. Louis 1904 gestaltete er den Repräsentationsraum des Bayerischen Kunstgewerbes, der heute der Regierung von Oberfranken als Landratssaal dient.

Dülfer war auch als Projektentwickler im großen Stil in München tätig. Als Direktor der „Terrain-Aktiengesellschaft Bogenhausen-Gern“ zeichnete er maßgeblich für die Bebauungspläne des von der Gesellschaft im Jahr 1900 erworbenen Herzogparks in Bogenhausen verantwortlich. Dülfer war neben Max Littmann auch einer der führenden Architekten für Theaterbauten. 1899 bis 1900 konnte er sein erstes Theater in Meran ausführen, dem im Laufe der Jahre noch vier weitere folgen sollten.

1906 wurde er als Nachfolger von Karl Weißbach als Professor für Entwerfen von Hochbauten an der Technischen Hochschule Dresden berufen und war dort zeitweilig Dekan der Hochbauabteilung und Rektor der Hochschule. Martin Dülfer starb am 21. Dezember 1942 in Dresden. Seine Witwe Käte Dülfer kam beim Luftangriff auf Dresden am 12./13. Februar 1945 ums Leben, bei dem auch Martin Dülfers Nachlaß vernichtet wurde. 

 

Kaim-Saal oder Tonhalle,

Türkenstraße (1895, nicht erhalten)

Dülfer errichtete („Kaim’scher Konzertsaal“ in der Türkenstraße 5  im Louis-Seize-Stil. Die Halle war eine der ersten Spielstätten des Kaim-Orchester des schwäbischen Dirigenden Franz Kaim. Das Orchester war Vorgänger der heutigen Münchner Philharmoniker. Der Schriftsteller Thomas Mann war ein häufiger Besucher des Konzertsaals. Dort wurde er erstmals auf Katja Pringsheim aufmerksam, die später seine Frau wurde. 1905 wurde der Kaim-Saal  in Tonhalle umbenannt. Im Zweiten Weltkrieg wurde Dülfers Konzertsaal allerdings durch Fliegerbomben zerstört und ist heute nicht mehr erhalten. Stattdessen befindet sich dort heute ein Bürohaus mit dem Sitz des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands.

 

Haus Bernheim, Lenbachplatz 3 (1888,89, 1909)

Für den jüdischen Kunsthändler, Kaufmann und Königlich Bayerischen Hoflieferanten Lehmann Bernheimer (1841–1918) entwarf Friedrich Thiersch zusammen mit Martin Dülfer einen neobarocken Palast als Wohn- und Geschäftshaus im Lenbachplatz 3 in München. Sie verwendeten dabei die damals modernste Bautechnik, um den Ladenbereich großzügig verglasen zu können, auch überbrückten Stahlträger die großen Öffnungen der Fassade. Der Ladenbereich erstreckte sich über ein Unter- und zwei Obergeschosse. Im dritten und vierten Stockwerk befanden sich die Wohnräume. Während realisieren zu können. Dülfer gestaltete vor allem die Fassade des Gebäudes.  1909 wurde der Komplex durch einen Anbau an der Ottostraße erweitert.

 

Villa Bechtolsheim, Maria-Theresia-Straße 27 (1896-1898)

 

In der Maria-Theresie-Straße 27 in Alt-Bogenhausen befindet sich die Villa Bechtolsheim (Bild links). Es ist der älteste erhaltene Jugendstilbau Deutschlands.  Der durch sein schwungvolles Stuckdekor und den hervorspringenden ovalen Turm auffallende dreigeschossige Bau wurde in Anlehnung an den englischen Landhausstil von Martin Dülfer 1896 bis 1898 für Freiherr Clemens von Bechtolsheim erbaut. Die für spätere Jugendstilbauten Dülfers typische Stilmerkmale sind schon hier ausgeprägt. Dazu gehören die hochrechteckigen Fenster, der geriffelte Putz und der gebauchte Erker. Der auffällige Dekor der  Rankenornamente wurde von dem Architekten und Mitbegründer des Werkbundes, Richard Riemerschmid, entworfen.

 

 

Haus der Allgemeinen Zeitung, Pressehaus, Bayerstraße 57/59 
 (1900–1901)

Das Gebäude wurde aufgrund der Fassadengestaltung als ein Schlüsselbau des Jugendstils angesehen. Davon ist leider nicht viel übriggeblieben. Die Fassade mit ihrem ursprünglichen lebhaften Farbenspiel wurde 1929, als man den Jugendstil nicht schätzte, durchgreifend „modernisiert“.

Wie bei dem Haus Bernheimer wurde auch hier für das Erdgeschoss mit den großen Fenstern eine unverkleidete Eisenkonstruktion verwendet. Für die Repräsentation der Allgemeinen Zeitung gestaltete Dülfer mit einer – sowohl horizontal wie vertikal – dreigeteilten Fassade eines der Meisterwerke des europäischen Jugendstils. Als Kontrast zur Eisenkonstruktion dea Ladenbereichs im Erdgeschoss wurde als Putzdekoration in den oberen Stockwerken ein farbiger Dekor herausgearbeitet. Die geschwungenen Stuckranken bündelten sich im obersten Mittelfenster des Gebäudes, über dem ein aufgesetztes Türmchen zusätzlich die Mittelachse betonte.

1929 wurde Dülfers Dekor durch „Modernisierungsmaßnahmen zerstört. Nach dem  Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude durch die Aufstockung eines Halbgeschosses zusätzlich verändert. Das Gebäude gehört zu dem Komplex des Pressehauses Bayerstraße, zu dem auch ein von Max Littmann in der Bayerstraße erbautes Gebäude gehört und das mit Dülfers Bauwerk über einen Innenhof verbunden ist. Heute befinden sich dort die Redaktionsräume des Münchner Merkur.

 

Wohnhaus in der Leopoldstraße,

Schwabing (1900-1902)

In der Leopoldstraße baute Dülfer auf der Höhe der heutigen Münchner Freiheit ein Gebäude, dass trotz seiner eindrucksvollen Fassade oft nicht wahrgenommen wird. Aufgrund der Ablenkung durch den Verkehr und die ungewohnte große Dimension der floralen Gestaltung übersehen Passanten häufig den Schmuck. Ungewohnt sind die am oberen Stockwerk angebrachte Blatt- und Baummotive. Im Mittelteil verwendete Dülfer einen mehr ornamentalen Stil, während im Erdgeschoss der Riffelputz vorherrscht. Martin Dülfer bewohnte das gebäude zwischen 1902 und 1906 auch selbst. Weitere berühmte Bewohner waren die Tänzerin und Sängerin Bally Prell, die mit einer Bronze-Plastik vor dem Gebäude verewigt wurde, sowie die Frauenrechtlerin und Reichstagsabgeordnete Toni Plüff.

 

Wohnhaus in der Gedonstraße

in Schwabing (1903-1904)

 

Dülfers großes Wohnhaus beherrscht mit seiner reich gestalteten Fassade und seinen Erkern trotz Martin Biebers monumentalen Hauptbau der Münchner Rück und dem gegenüberliegenden minimalistischen Glasbau von Baumschlager Eberle das Erscheinungsbild der Gedeonstraße. Dülfer zog dabei das gesamte Register der Jugendstil-Fassaden-Gestaltung: Der Sockel des Gebäudes besteht aus unbehandelten rauen Beton, das Erdgeschoss wurde mit dem typischen Riffelputz verkleidet. 

Dabei wurden in einem Kalkmörtelbewurf Rillen gezogen.  aus dem sich ein faszinierendes Licht- und Schattenspiel je nach Stand der Sonne ergibt. In den darüberliegenden Stockwerken wurden die Fenster mit glatten Flächen umrandet, dazwischen ein Putz mit feinerem Rilffel angebracht. Auf den glatten flächen wurden mit Stuck Ornamente angebracht und durch blaue und graue Farbschattierungen und Gold verstärkt. Der Schlesier Dülfer verwendete dabei raffinierte Formen wie eine mehrfach verwendete Biene, blaue Schmuck-Ovale mit goldenen Kernen über dem Eingang und interessant geformte Messingbeschläge an den Holztüren.

 

 

 

Wohnhäuser Ohmstraße 

 in Schwabing (1905-1907)

Auch an der Mietshausgruppe in der Ohmstraße 13, 15, 17 und der Königinstraße 85 experimentierte Dülfer bei der Fassadengestaltung mit der Putzgestaltung und variantenreichen Jugendstilornamenten. Das Gebäude gilt als zu seiner Zeit fortschrittlicher Wohnungsbau, der völlig auf historisierende Bauformen verzichtete. Der Wohnkomplex war ursprünglich größer, die Häuser in der Ohmstraße neun und 11 wurden jedoch im Zweiten Weltkrieg zerstört. An den bestehenden Gebäude wurden zum Teil Erker zerstört und nicht mehr erneuert, auch wurde Gebäude durch Aufstockungen verändert.

 

Werke (Auswahl)

1893: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg

1887: Bernheimer Haus Lenbachplatz 3, Maxvorstadt

1893: Mietshaus Reitmorstraße 23, Lehel, München

1893: Mietshaus Reitmorstraße 25, Lehel, München

1893: Mietshaus Liebigstraße 37, Lehel, München

1893: Mietshaus Liebigstraße 39, Lehel, München

1893: Mietshaus Liebigstraße 41, Lehel, München

1894: Mietshhaus Schellingstraße 21, Maxvorstadt, München

1895: Grabmal für Georg Pschorr, alter südlicher Friedhof, München

1895: Kaim-Saal (Tonhalle), Türkenstraße 5 (nicht erhalten), München

1896: Mietshausblock Nymphenburger Straße 149, Neuhausen, München

1896: Herrschaftliches Wohnhaus Leopoldstraße 6, Schwabing-Freimann, München

1897: Luitpold-Brunnen, Kulmbach

1897: Mietshaus Schellingstraße 26, Maxvorstadt, München

1897: Rückgebäude Georgenstraße 30, Schwabing-West, München

1898: Villa Bechtolsheim, Maria –Theresia.Straße 27, Bogenhausen, München

1898: Mietshaus Friedrichstraße 9, Schwabing-West, München

1898: Bürohaus des Bruckmann Verlag Lothstraße 3, Maxvorstadt, München

1898: Mietshaus Adalbertstraße 98, Maxvorstadt, München

1899: Villa Ludwigshöher Straße 12, Thalkirchen, München

1900: Mietshäuser Kaulbachstraße 22, 22a, 24 für Friedrich Wagner, Maxvorstadt, München

1900: Mietshaus Leopoldstraße 77, Schwabing-Freimann, München

1900: Stadttheater Theaterplatz 2, Meran, Südtirol, Italien

1901: Pressehaus Bayerstraße 57, Ludwigsvorstadt, München

1902: Landhaus Dülfer, Margarethenstr. 45, Krailling

1902: Grabmal Becker (mit Paul Ludwig Troost), Berlin-Weißensee

1902: Hotel Terminus, Bayerstraße 43 (zertsört), München

1903: Rückgebäude Franz-Joseph-Straße 13, Schwabing-Freimann, München

1903: Mietshaus Franz-Joseph-Straße 11, Schwabing-Freimann, München

1904: Stadttheater Hiltropwall 15 (mit Heinrich Tessenow), Dortmund

1904: Landrätesaal für Präsidialbau Regierung Oberfranken, Bayreuth

1905: Villa, Albrecht-Dürer-Str. 1, Krailling

1905: Mietshaus Ohmstraße 13, Schwabing-Freimann, München

1905: Mietshaus Ohmstraße 15, Schwabing-Freimann, München

1905: Mietshaus Ohmstraße 17, Schwabing-Freimann, München

1905: Wohnhaus Nikolaistraße 15, Schwabing-Freimann, München

1906: Mietshaus Königinstraße 85, Schwabing-Freimann, München

1906: Wohnhaus Wilhelm Schenk, Schwarzwaldstr. 30, Freiburg im Breisgau

1907: Geschäftshaus Schneider Kirchgasse (abgerissen), Wiesbaden

1908: Wohnhaus Carl Philipson (zerstört), Osnabrück

1909: Stadttheater Beckergrube, Lübeck

1912: Büro- und Geschäftshaus mit Filiale Goethestr 3, Leipzig

1912: Stadttheater König-Heinrich-Platz, Duisburg

1913: Beyer-Bau der Technischen Universität Dresden Georg-Bähr-Str. 1, Dresden

1926: Fritz-Foerster-Bau der TU Dresden Mommsenstr 6, Dresden

1929: Bulgarisches Nationaltheater, Sofia (Bulgarien)

 

Literatur:

Dennis A. Chevalley, Timm Weski: Denkmäler in Bayern – Landeshauptstadt München, Südwest, Band 1

Winfried Nerdinger (Hrsg.): Architekturführer München, Dritte Auflage

Edda und Michael Neumann-Adrean: Münchens Lust am Jugendstil – Häuser und Menschen um 1900, München 2009, 3. Auflage

 

Quellen: http://www.martin-duelfer.de/; http://deu.archinform.net/arch/2885.htm http://stadt-muenchen.net/baudenkmal/d_architekt.php?architekt=Dülfer%20Martin; https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Dülfer