Nachhaltigkeits-Klassiker bauen in Garching
Das Forschungszentrum Garching im Norden von München ist auch ein Experimentierfeld für Architekten. In den vergangenen Jahren sind hier eine Reihe neuer Gebäude entstanden, die die Aufmerksamkeit der Besucher an sich ziehen.
Nun wird die Supercomputer eine Erweiterung des Leibniz Rechenzentrum benötigt. Der Entwurf stammt von einem Münchner Büro, das bereits vor einigen Jahren das Hauptgebäude errichtet hat: Herzog und Partner. Das Büro wird von Professor Thomas Herzog und seinem Partner Hans Jörg Schrade geleitet, die sich der klassischen Moderne verschrieben haben und schon seit Jahrzehnten das Thema Nachhaltigkeit in der Architektru verwirklichen.
In Ihrer Firmenphilosophie umschreiben die Partner was sie antreibt und welcher Grundhaltung sie sich verpflichtet fühlen. „Das Büro Herzog + Partner ist seit seiner Gründung 1972 einer Weiterentwicklung und Kultivierung der Moderne verpflichtet. So gilt es, gleichermaßen soziale Verantwortung wahrzunehmen und aktiv am wissenschaftlichen und technologischen Forschritt mitzuwirken wie umweltrelevante Aspekte – speziell die Nutzungsmöglichkeiten von Solarenergie – auf vielfache Weise in die Arbeit zu integrieren.“
Thomas Herzog, gebürtiger (1941) Münchner und Absolvent der TH München, ist einer der Pioniere des Nachhaltigen Bauens. Die Entwicklung baulicher Systeme mit Einsatz erneuerbarer Energien beschäftigte ihn schon früh, undzwar als angewandte Forschung in allen Bereichen. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Mitarbeiter in dem Büro von Professor Peter C. von Seidlein in München, dann, während und nach seiner Promotion als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Stuttgart. Seine Doktorarbeit verfasste er über „Pneumatische Konstruktionen“ an der Universität Rom. Danach gründete er sein eigenes Büro, das er mit verschiedenen Partner – Vladimir Nikolic (1971-1975), Michael Volz (1983-1989) und seit 1994 mit Jörg Schrade leitete. Das Spektrum des Büros reicht vom Wohnungsbau, gewerblichen Bauten bis zu Ausstellungsbauten.
Der Stuttgarter Hans Jörg Schrade (*1951) arbeitete nach dem Architekturstudium in Stuttgart bei den Architekten Vladimir Nikolic und Peter C. von Seidlein, mit denen zuvor auch Herzog zusammengearbeitet hatte, danach kurz bei Murphy/Jahn in Chicago und bei Siemens um dann anschließend dem Büro von Thomas Herzog beizutreten.
„Neue Konzepte werden im Zusammenwirken mit Forschungsinstitutionen und universitären Einrichtungen entwickelt.“ Lange Jahre lehrte Herzog als Professor an verschiedenen Hochschulen in Deutschland wie an der Gesamthochschule Kassel, an der TH Darmstadt und an der TU München, aber auch als Gastprofessor im Ausland (Lausanne, Tsinghua, Kopenhagen). Die enge Verbindung mit den wissenschaftlichen Institutionen zeigt sich auch darin, dass auch wissenschaftliche Einrichtungen Gegenstand der Bauten des Büros sind. Unter den Projekten jüngeren Datums gehört beispielsweise das Oskar von Miller Forum (Bild links) und das Leibniz Rechenzentrum in Garching (Bild oben) dazu.
„Städtebauliche Pilotprojekte, Pionierbauten, Prototypen von Bausystemen und Komponenten entstehen als Resultat dieser wissensbasierten Designaufgabe. Die Realisierung erfolgt in der Regel mit lokalen Partnern. Immer geschieht dies mit besonderem Anspruch an die ästhetische Qualität, doch wird Form nicht vorab definiert, sondern entsteht aufgabenbezogen von Fall zu Fall als Resultat des Designprozesses – zu bezeichnen als “Leistungsform”.
Haidpark – Leben im Schutzwall
Zuletzt hatten Herzog und Partner nicht unweit von Garching einkommensorientiert geförderte Wohnungen gebaut. Die Station Fröttmaning ist untypisch für eine U-Bahnhaltestelle: Sie liegt im Freien, und die Anzahl der Gleise erinnert eher an einen Bahnhof. Denn hier befindet sich die Hauptwerkstätte der Münchner U- Bahn zur Reparatur der Züge.
Eine Aufgabe für die Planer der südwestlich davon entstehenden Siedlung Haidpark bestand darin, einen Schutz vor dem Zuglärm für die Anwohner zu erstellen. Auch wenn die Größe der Gleisanlagen eine höhere Lärmbelastung vermuten lässt, als tatsächlich besteht, übernimmt das entlang der Gleise errichtete Gebäude die Funktion der Lärmdämmung. Dass es dafür interessante architektonische Lösungen geben kann, haben in München die Spengler Wiescholek Architekten für das Studentenwohnheim am Stiftsbogen an der Autobahn Lindau-München und Léon Wohlhage Wernik mit „Wohnen am Mittleren Ring“ gezeigt.
Der Bauherr, die GBW-Gruppe in München, entschied sich für das Lösungskonzept des renommierten Münchner Architekturbüros Herzog + Partner. Diese waren zuletzt im Norden von München mit dem Neubau des Leibniz- Rechenzentrum in Garching aufgefallen.
Für den Haidpark entwarfen Thomas Herzog und Hanns Jörg Schrade als Schalldämmung einen fünfgeschossigen Bauriegel, der die Siedlung nach Osten abschirmt. Wie der Schnitt durch das Gebäude zeigt, sind die einkommensabhängig geförderten Wohnungen mit ihren Balkonen nach Westen – in den ruhigen „Innenhof“ des Haidparks – ausgerichtet.
In dem den Gleisanlagen zugewandten Gebäudeteil sind die Treppenhäuser, Aufzüge und Gänge, in den Wohnungen auch die Bäder und Küchen, untergebracht. Die Aufgabe des Lärmschutzes wurde also mit einfachen Mitteln vor allem durch eine sinnvolle Anordnung der Wohnfunktionen gelöst.
Westlich des langen Gebäudes befinden sich zwei dreigeschossige, von Steidle Architekten geplante Wohnhäuser. Im Norden liegt zudem eine Kindertagesstätte.
Flankiert wird die Idee, dass sich die Bewohner nach Westen ausrichten durch die Gestaltung der Freianlagen von den Landschaftsarchitekten Latz + Partner aus Kranzberg. In dieser Richtung befinden sich auf zwei, leicht abgesenkten Bereiche mit den Kinderspielplätzen die kommunikativen Zentren der Wohnanlage. „Niedrige Sitzmauern leiten in die offenen, Baumbestandenen und bespielbaren Wiesenflächen über“, erläutern die Landschaftsarchitekten ihr Konzept. Die Bepflanzung wurde mit der Wahl von Kiefern, Ebereschen und Hecken aus Liguster und Hainbuche an der für die Fröttmaninger Heide typischen Vegetation angelehnt.
An der Ostseite verläuft zwischen dem Wohnriegel und den Gleisen ein Fuß- und Radweg. Diese Seite liegt immerhin drei Meter tiefer als der Innenhof an der Westseite des Gebäudes – was den Eindruck eines Schutzwalles nach Osten verstärkt. Er lässt nicht ahnen, das sich dahinter eine ruhige Oase für die Bewohner verbirgt.
Wohnungsbau in München Riem (2000-2005)
Ein Beispiel für nachhaltiges Bauen im Wohnungsbau des Architekturbüros ist die Wohnanlage zwischen Edinburghplatz, Oslo- und Helsinkistraße in München-Riem. Die Anlage umschließt einen nach Westen geöffneten Innenhof mit Grünanlage und Kindergarten. Das siebengeschossige Gebäude enthält zweistöckige Ateliers und darüber Wohnungen, bei denen einzelne Funktionen je nach Wunsch der Bewohner austauschbar sind. Nur Erschließungen, Küchen und Bäder sind im Grundriss festgelegt. Außer der Wohnanlage realisierte Herzog + Partner für Bundesgartenschau in München Riem (2004-2005) zudem Holzpavillions, die zum Teil später auch für die Schrebergärten verwendet wurden.
Schon früh beschäftigte sich Herzog mit dem Thema Wohnen und Nachhaltigkeit. Beispiele dafür ist das Gebäude einer Arztpraxis in Bad Lipparinge (Bild links) und das Anfang der 1970er Jahre entstandene Haus im Wald bei Regensburg Unten links).
Wie breit das Spektrum des Büros reicht, beweist die Gestaltung der Tank und Rastanlage in Lechwiesen (1994-1997)
Das Büro ist weit über die Grenzen Deutschlands bekannt – nicht nur durch die internationale Lehrtätigkeit Herzogs, sondern auch durch große Bauprojekte, bei denen im vergangenen Jahrzehnt vor allem China mit Museen und Städteplanung einen Schwerpunkt einnahm. Aber auch mit Wohnungsbauten in Aarhus in Dänemark (Bild links, 2004-2007) und durch verschiedene Projekte in Linz festigte Herzog + Partner seinen internationalen Ruf.