
Carl Jäger: Vom Villenerbauer zum sozialen Wohnungsbau
Zum Anfang seiner Karriere erbaute der Architekt Carl Jäger vor allem Villen noch im Jugendstil. Bekannt wurde er aber durch die Oberleitung der Siedlung am Walchenseeplatz für die GEWOFAG.
Carl (auch: Karl) Jäger wurde am 10. Juli 1868 in Grimma (Sachsen) als ältestes von sechs Kindern einer Handwerksfamilie geboren. Nach Studien- und ersten Berufsjahren in Leipzig, Augsburg und München trat er auf Empfehlung seiner Kollegen Feodor Lehmann und Franz Rank im Jahr 1900 in das Architekturbüro von Martin Dülfer in München ein, der zu diesem Zeitpunkt gerade das Projekt Herzogpark startete. Von da an bestand auch eine lange Zusammenarbeit und Freundschaft mit Paul Ludwig Troost, dem Büroleiter Dülfers, der später Interieurs für Jägers Villen entwarf, bevor er Hitlers Stararchitekt wurde.
Schon ein Jahr später, 1901, machte sich Jäger jedoch selbstständig. Er entwarf Villen und Mietshäuser und nahm auch mit Troost an dem Wettbewerb für das Deutsche Museum teil. Eine Villa für sich selbst baute Jäger im Herzogpark an der Kolbergstraße 16 im Jahr 1907/08, wo er aber nur ein Jahr mit seiner jungen Familie selbst darin wohnte. Dann wurde das Haus vermietet und man zog ebenfalls in eine Mietswohnung. Ab 1915 arbeitete Jäger auch zeitweilig mit dem Architekt und Kunstgewerbler Peter Birkenholz zusammen, den er ebenfalls aus der gemeinsamen Zeit im Büro von Martin Dülfer kannte. Auch Emil Freymuth, der später ein eigenes Architekturbüro gründete, arbeitete im Büro von Jäger.
An Neujahr 1917 wurde Jäger mit dem Titel eines königlichen Professors geehrt. Nach Kriegsende und Revolution verkaufte er die Villa Kolbergerstraße 16 und erwarb einen Bauplatz an der Pienzenauerstraße 72. Der wirtschaftliche Aufschwung des Architekten manifestierte sich im Atelier im Leuchtenbergpalais in der Ludwigstraße (mit F. Prettner) und in neuen Aufträgen, namentlich für die Isarwerke Mauerkircherstraße 31 und im bald folgenden Villenneubau an der Pienzenauerstraße 72 für die Familie.
Ende der 1920er-Jahre erhielt Jäger im Rahmen des Münchner Großsiedlungsprogramms die Oberleitung der von der Gemeinnützigen Wohnungsfürsorge errichteten Stockwerksiedlung am Walchenseeplatz in Obergiesing (Bild oben, links).
Jäger erwarb später noch einen Bauplatz an der damaligen Gumppenbergstraße 4 und baute dort ein etwas bescheideneres Haus 1934–35. Das Haus an der Pienzenauerstraße 72 wurde verkauft, mit Ausnahme des Gartenhauses, das weiter vermietet wurde. Es wurde 1944 zum Teil zerbombt. 1950 stellte es Jäger wieder her. Nach dem Tod seiner zweiten Frau Helene 1952 starb Professor Carl Jäger 93-jährig am 27. November 1961.
Werke (Auswahl)
1904: Mietshaus Adalbertstraße 108, Maxvorstadt, München
1906: Wettbewerbsentwurf zum Deutschen Museum (mit Paul Ludwig Troost)
1907: Villa Kolbergerstraße 16, Bogenhausen, München
1908: Konzeption des Figurenhain, Park Theresienhöhe, Schwanthalerhöhe, München
1910: Mietshaus Landshuter Allee 43, Neuhausen, München
1910: Mietshaus Landshuter Allee 45, Neuhausen, München
1913: Villa Heinrich-Vogl-Straße 17, Solln, München
1916: Entwurf zum Königsplatz
1922: Villa Heinrich-Vogl-Straße 11, Solln, München
1922: Pfarrkirche St. Johannes, Kirchgasse 1, Bechhofen, Mittelfranken
1923: Villa Larisch, Gabriel-von-Seidl-Straße 41a (mit Peter Birkenholz), Geiselgasteig, Grünwald
1924: Zweigeschossige Villa (Villa Willers) Pienzenauerstraße 53, Bogenhausen, München
1924: Villa, Äußere Rosenheimer Straße 21, Traunstein
1930: Siedlung am Walchenseeplatz (baukünstlerische Oberleitung, Entwurf mit Johanna Löv)
ohne Jahresangabe: Ehemaliges Verwaltungsgebäude Mauerkircherstraße 31, Bogenhausen, München
1935: Emmauskirche Langobardenstraße 16, Harlaching, München
1939: Erweiterung der GEWOFAG-Siedlung Neufriedenheim, Laim
Quellen: http://stadt-muenchen.net/baudenkmal/d_architekt.php?architekt=Jäger%20Carl, http://www.nordostkultur-muenchen.de/biographien/jaeger_carl.htm
Fotografien: Ulrich Lohrer