Berliner Aufsteiger erobern München

Mit einer markanten Architektursprache hebte sich sich das Büro Léon Wohlhage Wernik vom konservativen Bauumfeld Berlins ab. Spätestens mit der Indischen Botschaft in Berlin haben sie weit über die Grenzen des Bundeshauptstadt Bekanntheit erlangt. Immer häufiger sind die Berliner auch mit Bauten in München vertreten.

 

Léon Wohlhage Wernik ist ein Architekturbüro in Berlin. Das Büro wurde 1983 von Hilde Léon und Konrad Wohlhage unter ihren Namen gegründet. Seit der Aufnahme von Siegfried Wernik 1994 als Partner wird es unter dem Namen Léon Wernik Wohlhage betrieben, seit dem Tod von Konrad Wohlhage von Hilde Léon und Siefried Wernik als Geschäftsführer geleitet.

Für die Entwurfs- und Planungsteams bildet Hilde Léon das Rückgrat und gilt als kreativer Kopf des Büros. Siegfried Wernik ist Architekt und Manager im Unternehmen. Assoziierte der 35 Mitarbeiter zählenden Büros sind Ulrich Vetter, Peter Czekay, Klaus-Tilman Fritzsche.

Hilde Léon (*1953 in Düsseldorf) studierte zwischen 1973 und 1978 Architektur an der Technischen Universität Berlin.  Danach   sie von 1978 bis 1980 als  Stipendiatin amIstituto Universitario di Architettura di Venezia (IUAV)tätig.  Von 1990 bis 1995 war Léon Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Städtebau und Architektur der Hochschule der Künste Berlin, im Jahr 2000 wurde sie als Professorin zum Lehrstuhl für Entwerfen und Gebäudelehre an der Gottfried Leibniz Universität Hannover berufen.  

Konrad Wohlhage (* Dezember 1953 in Münster) studierte zwischen 1975 und 1978 Architektur an der TU München  und an der TU Delft (1978–1983) Architektur . Von 1987 bis 1990 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin tätig. Wohlhage war gefragter Preisrichter für zahlreiche nationale und internationale Architekturwettbewerbe und gehörte von 1996 bis 2000 dem Gestaltungsbeirat der Stadt Münster und seit 2000 dem der Stadt München an. Neben seiner Arbeit als Architekt war Wohlhage auch als Künstler tätig, dessen Zeichnungen in Ausstellungen zu sehen waren. Konrad Wohlhage verstarb am 28. September 2007 nach langer Krankheit im Alter von 53 Jahren.

Siegfried Wernik (*1953 in Burscheid) studierte von 1972 bis 1978 Architektur an der RWTH Aachen. Von 1979 bis 1990 war er assoziierter Partner im Büro Stirling, Wilford & Associates, Stuttgart/ Berlin/ London und führte dann bis zur Gründung von Léon Wohlhage Wernik ein gemeinsames Büro mit Ludger Brands und Alexander Kolbe in Berlin.

Zu den Berliner Arbeiten des Büros gehören die Hotel und Konferenzeinrichtungen in Adlershof  (1996–1998) und die Bremer Landesvertretung  (1996-1999). Im März 1998 gewann  Leon Wohlhage Wernik den 1. Preis für den beschränkten Wettbewerb für den Neubau der Indischen Botschaft in Berlin (Bild links) – ganz in der Nähe der Bremer Landesvertretung. Indien entschied sich für den Bau ihrer Botschaft als eine der wenigen Staaten nicht für landeseigene Architekten, aber bewusst für eine „architektursprachliche Übersetzung“ der indischen Architekturtradition durch ein deutsches Architekturbüro. 

Das 2001 fertiggestellte Gebäude reiht sich in die Vertretungen von Südafrika und Baden-Württemberg mit einer geschlossenen Fassade ein, die sich durch eine schmale Öffnung zu einem zylindrischen Atrium erschließt.   Nach außen ist das Gebäude als Quader gestaltet, der die Fläche des Grundstücks fast komplett einnimmt. Im Innern ist das Gebäude in ein fünfgeschossiger Baukörper mit quadratischem Grundriss, ein auf zwei Ebenen  gelegener Garten sowie einem zweigeschossigen Sockelbau mit ein runden Turm.

Zu den bekannten Bauten außerhalb Berlins zählen die SchwabenGalerie in Stuttgart Vaihingen (2004) sowie das Hochschul- und Medienzentrum in Leipzig (2004-2009, Bild links).

Vor allem ist aber das Büro außerhalb von Berlin stark mit Werken im Großraum München vertreten. So entwarf es 2006 die Überdachung und Park U-Bahnhof Garching-Forschungszentrum in Garching und das Kaufhaus Mira in der Nordheide.  Zwischen 2007 und 2009 wurde nach den Plänen des Büros die Wohnanlage „Wohnen am Mittleren Ring“ der Bayerischen Versurgungslkammer erbaut. 2009 gewann es den Wettbewerb um den Erweiterungsbau des Maximilianeum, des Bayerischen Landtages. Aktuelles im Bau befindliches Projekt ist das Wohn- und Geschäftsquartier „The Seven“.

Zentrale Anlage mit U-Bahnstation im Garching-Forschingszentrum (2006)

Das frühere Erscheinungsbild der TU in Garching ließ eine grundlegende städtebauliche Idee vermissen. Das Konzept von Léon Wohlhage Wernik sieht einen prägnanten Außenraum vor, der den künftigen Baumaßnahmen, wie dem Informationszentrum der TUM, dem Auditorium Maximum, den Gästehäusern der Max-Planck-Gesellschaft und der TUM klare Baufelder zuweist.
 Diese zentralen Einrichtungen umstellen eine lang gestreckte Grünfläche, einen Ort der Identifikation und des Aufenthaltes. Hier wurden die öffentlichen Aktivitäten gebündelt, hier liegen die künftigen Ausgänge der U-Bahn und der Busbahnhof, hier wird ein emotionales, städtisches Bild geschaffen, von einer lebenswerten und dynamischen Universität.


Der neue Campuspark über der U-Bahnhaltestelle Garching-Forschungszentrum ist als ein städtischer Grünraum angelegt. Drei U-Bahnzugänge sind in das tektonische Spiel der gefalteten Rasenflächen integriert und an dessen Wegenetz angebunden. Die U-Bahndächer dienen gleichzeitig als Wetterschutz und überdachte Fahrradstellplätze. 
Ein „Campusband“, geplant als ein Mäander aus rotem Asphalt und grauem Betonpflaster, integriert 300 Park+Ride Stellplätze und setzt sich in Nord-Süd Richtung fort.
Park, Infrastruktur und U-Bahndächer sind der erste Schritt zum Campus. Baufelder für künftige Institute, Gästehäuser, Büroflächen und ein Audimax/Kongresszentrum, zeigen das Entwicklungspotential des Hochsschulstandortes.

 

 

Einkaufszentrum Mira in der Nordheide (2006)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für das neue Stadtteil- und Einkaufszentrum  entwickelten Léon Wohlhage Wernik Architekten eine farbige Außenfassade als Image prägende Identität für MIRA und Hintergrund für die benachbarte Wohnbebauung. 
Durch die prismatische Faltung der Blechpaneele ergibt sich ein „nordwestliches“ und ein „südwestliches“ Bild – die Westfassade ist eine Durchdringung beider, ähnlich einem Kaleidoskop. Die spiegelnden Flächen bringen durch die Reflexion der Stadt eine eigene Dynamik und Tiefe in das Bild. 
Die farbige Fassade wirkt wie ein Vexierbild, die dynamisch ihre Erscheinung verändert. Die starren Farbfelder lösen sich auf zu Streifen und setzen sich zu neuen Feldern zusammen. Rot wird zu grün, gelb zu blau in vielen unterschiedlichen Nuancen. Die Spiegelfelder reflektieren den Himmel und die Stadt – sie schaffen eine Illusion von Tiefe.  
Die Dynamik des Autofahrers und selbst der langsame Fußgänger setzen einen Prozess der optischen Zauberei in Gang. Die Erscheinung des Gebäudes verändert sich in der relativen Bewegung.
Aus diesem reliefartigen Bild treten die weißen Gebäudeteile als glatte Putzfassade mit ihren Schaufenstern hervor und prägen die Fassaden zu einem neu entstehenden Platz.

 

Wohnen am Mittleren Ring (2005-2009)

Die neue Wohnbebauung in der Richard-Strauss-Straße ist als Schallschutzbebauung entlang des Mittleren Rings in München entworfen.
Das Gebäude besteht aus zu den Gartenhöfen orientierten Wohnungen. Es wendet sich funktional von der Straße ab, gestalterisch aber dieser zu. 
Hier entsteht eine 250 m lange Skulptur als Landmark auf der Fahrt über den innerstädtischen Autobahnring, ein Relief mit geschuppter Oberfläche und
differenzierter Farbigkeit.

 

 

 

 

 

Erweiterungsbau des Maximilianeum (200-2012)

Neben dem historischen Bau des Maximilianeums von Bürcklein nimmt sich der neue Erweiterungsbau zurück. Von der Maximilianstraße aus bleibt der Anbau zunächst von einem historischen Seitenflügel verdeckt. Erst auf den zweiten Blick – beim Herumfahren – schiebt sich das Gebäude in den Blick. Der Sitzungssaal im obersten Geschoß tritt leicht hervor und gibt dem Gebäudepart eine eigene städtebauliche Präsenz. Der kubische Körper ist Passstück im Gesamtensemble und bildet zugleich den Abschluß. Mit einer fassadenbündigen Verglasung wird die figurative Präsenz des Baukörpers unterstrichen. Material und Farbe, Fensterhöhen und Öffnungstiefen sind dem Bestand entlehnt, um einen harmonischen Übergang und ein nachhaltig gültiges Zusammenspiel zu entwickeln.

The Seven (2007-2013)

Das ehemalige Heizkraftwerk Müllerstraße liegt heute eigentümlich fremd mitten im Stadtviertel der Isarvorstadt, in direkter Nähe zum Gärtnerplatz. Der Turm prägt das Viertel und bietet mit dem grünen Vorplatz und seinem schönen Baumbestand ein Potential für die Entwicklung des Standorts. Die Grundidee des Konzeptes ist es, die stadträumlichen Eigenschaften des Ortes so herauszuarbeiten, dass ein Stück Innenstadt für die Öffentlichkeit wiedergewonnen wird und ein hochwertiger Wohnstandort entsteht, der sich mit dem qualitätsvollen städtischen Ort rund um den Gärtnerplatz verknüpft. 
Der Erhalt und Umbau des Turmes bietet die Möglichkeit, dem Ort eine starke Identität zu geben, insbesondere wenn der Turm in einen größeren Stadtbaustein so integriert wird, dass er sich mit der städtischen Struktur des Viertel verbindet. 
Das neue Quartier bietet zwei unterschiedliche Qualitäten zur Stadt – eine eher öffentliche und eine ruhigere eher private Eigenschaft - die sich auch in der Nutzungsverteilung widerspiegelt: In den Erdgeschossen an der Müllerstraße und zum Platz sind Läden und Gewerbe vorgesehen. Büros finden wir entlang der Straße, sowie in den unteren Ebenen des Turmes. Im südwestlichen Bereich in bester Sonnenlage ist eine Kindertagesstätte untergebracht. Die Wohnungen im ruhigen Teil der Anlage entlang eines neuen Schmuckplatzes werden von einem Wohnhof aus erschlossen.
Insgesamt ist ein Wohnquartier entstanden, eingebettet in ein attraktives, hochwertiges Freiraum-Ensemble, das eine Vielfalt unterschiedlicher Freiräume zum Gärtnerplatz bietet, das innerstädtische Grün miteinander vernetzt und einen wichtigen städtebaulichen Baustein markiert.

Über die Vorbereitungsarbeiten des Projekts im Gärtnerplatzviertel wurde im "immobilienreport münchen" bereits berichtet. Im Juni fand die Grundsteinlegung des Neubaus The Seven statt. 

Werke (Auswahl)

1996: Nagelsweg Apartments am VTG Center, Hamburg

2001: Indische Botschaft, Berlin

2003: Schillerhaus, Frankfurt am Main

2004: Schwaben Galerie, München

2006: Hochschulcampus Garching, Garching

2006: Wohnen am Rosenpark, Stuttgart

2007: Schlossbrücke am Schloss Rheinsberg

2007: Yoo Apartments, HafenCity Hamburg

2008: Fassade Kaufhaus Mira, Hasenbergl, München

2008: Wohn- und Geschäftshaus Port 6, Bremen

2009: Wohnen am Mittleren Ring, Bogenhausen, München

2009: Hochschulbibliothek und Medienzentrum der HTWK Leipzig

2009: Justizvollzugsanstalt, Willich

2010: Flusshäuser am Weserufer, Bremen

2010: Wettbewerbsentwurf Olmpisches Dorf Winterspiele 2018, München

2012: Erweiterung Bayerischer Landtag, Maximilianeum, München

2013: Wohnen mit Service, Pforzheim

2014: Hochhaus The Seven, Gärtnerplatzviertel, München

2014: SWM-Wohnungen an der Katharina-von-Bora-Straße, München

2016: GEWOFAG Wohnanlage Funkkaserne Nord (Domagkpark), München

2017: Wohnen am Spittelmarkt, Berlin

2018: Landeszentrum Gesundheit NRW, Dortmund

2019: Beamten-Wohnanalage Oberwiesenfeld (Planung), München

 

Weitere Informationen:

Ende 2010 gewann das Büro den Wettbewerb für die Gestaltung des olympischen Dorfes sowie des Mediendorfs in München für den Fall einer Ausrichtung des olympischen Wintersiele 2018 in München. Generelle Informationen zu wie zu einzelnen Projekten des Architekturbüro Léon Wohlhage Wernik bietet deren Internetauftritt.

Bildnachweis: Büro Léon Wohlhage Wernik: 2. von oben (Geschäftsführer und Assoziierte), Indische Botschaft Innenraum, Hochschulbibliothek Leipzig, sonst Ulrich Lohrer