Neorenaissance in München

Seine ersten größeren Bauten waren auch die Bahnhöfe in Bayern. Als erster Professor für Civilbaukunde an Münchens Polytechnikum schrieb Gottfried von Neureuther Architekturgeschichte. Die Kunstakademie ist eine der wenigen erhaltenen Bauten dieses führenden Vertreters der deutschen Neorenaissance.

 

Gottfried von Neureuther wurde am 22. Januar 1811 in Mannheim geboren, wuchs in Bamberg auf und studierte von 1830 bis 1831 als Schüler von Friedrich Gärtner an der Kunstakademie in München. Ab 1833 arbeitete er bei der Bauinspektion Würzburg, 1835 folgte die Tätigkeit bei der Bauinspektion Reichenhall. Von 1838 bis 1841 wirkte Neureuther als Baukondukteur in Nürnberg, von 1842 bis 1844 als Sektionsingenieur der Ludwig-Süd-Nord-Bahn, dann als zweiter Architekt bei der Eisenbahnbau-Kommission in Nürnberg.

1845 wurde Neureuther nach München versetzt. Ab 1858 war er als Baurat des Referats für Landbau bei der Obersten Baubehörde tätig.

1868 gründete König Ludwig II. von Bayern die Polytechnischen Schule, die ab 1877 als Königlich Bayerische Technische Hochschule München bezeichnet wurde, dem Vorläuferinstitut der Technischen Universität München (TUM). Erster Direktor der Einrichtung wurde der Vermessungstechniker Karl Max(imilian) von Bauernfeind. Zum Professorenkollegium gehörten anfangs elf Ingenieure und Künstler, fünf Naturwissenschaftler, drei Mathematiker und drei Geisteswissenschaftler. Neureuther wurde nicht nur als Professor für Civilbaukunde an das Polytechnikum berufen, sondern er entwarf auch nach Vorbild der ETH Zürich das Hauptgebäude der Hochschule aus Kelheimer Kalkstein.

Neureuther baute allerdings auch Villen, etwa für den Dichter Paul Heyse in München oder dem Unternehmer Wendland in Bozen. Sein bekanntestes Werk ist allerdings das Gebäude der Kunstakademie, einem der bedeutendsten Bauten der Neorenaissance. Der damit verbundene Ärger zehrte allerdings an den Kräften des alten Baumeisters. Gottfried von Neureuther starb kurz nach der Vollendung der Kunstakademie am 12. April 1887 in München.

 

 

Polytechnikum in der Arcisstraße 21 (1864–1868)

Bereits 1857 lehrte Gottfried von Neureuther in der Bau- und Ingenieurschule in München Civilbaukunde. Unter Ludwig II. wurde die Gründung einer Hochschule unter dem Namen „Polytechnikum“ beschlossen und dafür 1864 die erforderlichen Realgymnasien gegründet. In einem Gutachten empfahl Neureuther den Bau der Hochschule westlich von Leo von Klenzes Alter Pinakothek, worauf der Bayerische Staat das Grundstück erwarb.

 Neureuther konnte sich auch als Architekt gegenüber Konkurrenten aus dem Kreise des Maximilianstil durchsetzen. Am 1. Juli 1865 bewilligte der Landtag eine Million Gulden für den Neubau und beauftragte Neureuther als königlicher Spezialkommissär. Am 19. Dezember wurde das Gebäude eingeweiht. Das Gebäude galt „neben der – später ebenfalls von Neureuther erbaiten – Akademie (als) bedeutendstes Bauwerk der Neorenaissance in Bayern.“ (Winfried Nerdinger).

Neureuther hatte sich bei dem Entwurf von Gottfried Sempers Polytechnikum in Zürich Anregungen geholt, legte den Bau aber dann nicht wie das Züricher Polytechnikum in aneinandergereihten Höfen, sondern als gestreckter Gebäudekomplex von 237 Meter Länge an. In der Mitte des 137 Meter langen Hauptkörpers befanden sich die repräsentativen Räume, das Vestibül mit dem Treppenaufgang, das Rektorat und die Bibliothek. Der Bruder des Architekten, Eugen Napoleon Neureuther, gestaltete das Innere mit Wandbildern aus. Die Seitenflühgel führten zu den symetrisch an beiden Seiten angeordnete Kopfbauten mit Hörsälen. Diese waren jeweils mit gerundeten Zwischenbauten mit zwei starkt zurückgesetzten Bauten verbunden, die nur zweigeschossig, aber auf einer größeren Grundfläche als die Kopfbauten errichtet waren. Belichtet wurden diese beiden Bauten durch glasüberdachte Lichthöfe.

Der Komplex wurde durch die Bauten von Friedrich von Thiersch im Südwesten und durch die Anbauten an Neureuthers Gebäude an der Arcisstraße durch German Bestelmeyer noch erheblich erweitert. Im Zweiten Weltkrieg wurde Neureuthers Neorenaissance-Bau nahezu vollständig zerstört. Erhalten geblieben ist lediglich vom zurückgesetzten südlichen Gebäudeteil ein rustiziertes Erdgeschoss (bei der Gabelsberger/Arcisstraße), dass über einen Innenhof ersichtlich ist, sowie entlang der Theresienstraße ein Teil des zweigeschossigen nördlichen Gebäudes.

 

Villa für Paul Heyse

in der Luisenstraße 22 (1872–1874)

Neureuther erbaute auch Villen, darunter das Wohnhaus des Dichters Paul Heyse. Der Dichter Emanuel Geibel hatte den bayerischen König Maximilian II überredet, Paul Heyse mit einer hohen Pension nach München zu berufen, worauf der 24jährige Berliner 1854 nach München zog. Obwohl Heyse erst 1910 den Literaturnobelpreis erhielt, war er bereits in jungen Jahren berühmt. 

 

Wegen seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen und als Mittelpunkt des Künstler-Kreises in München, ließ er von Neureuther ein bescheidenes Häuschen in der Luisenstraße in der Nähe von Klenzes Glyptothek zwischen 1873 und 1874 zu einer repräsentativen Villa ausbauen. 

Äußerlich nahm das Gebäude mit rustizierten Erdgeschoss, geschmückten Giebeln und einem Mitteleingang mit Säulenbalkon die Form einer Neo-Renaissance-Villa ein. Das Innere war nobel mit unter anderem einem pompejanischen Atrium, einem vornehmen Treppenhaus, einem Speisesaal und ein Musikraum ausgestattet. Im Haus, das Heyse als privates Refugium wie auch als gesellschaftlichen Mittelpunkt diente, befanden sich in allen Räumen Gemälde und Plastiken.

Der im Bombenkrieg weitgehend zerstörte Bau wurde zwischen 1945 und 1948 vereinfacht, ohne seinen vorherigen Bauschmuck wieder aufgebaut. Das mittlerweile stark zugewachsene Grundstück  wird mit Gebäude von der Firma Ludwig Rosner, Lackfabrik, genutzt.

 

 

Akademie der Bildenden Künste,

Akademiestraße 2 (1874–1884)

Der Erschaffer der Bavaria, der Erzgießer und Politiker Ferdinand von Miller, beantragte 1873 im Bayerischen Landtag den Neubau der Kunstakademie. Zur Finanzierung standen durch die Pariser Reparationszahlungen nach dem deutsch-französischen Krieg von 1871 erhebliche Geldmittel in Höhe von sechs Millionen Gulden zur Verfügung. Neureuther wurde beauftragt für den Bau den Plan auszuarbeiten. Neureuther entwarf eine pompöse Dreiflügel-Anlage als palastartiger Gründerzeitbau, den er zwar viermal abändern musste, die König Ludwig II. dann aber absegnete. 1886 bezog schließlich die Akademie den repräsentativen Neubau in der Akademiestraße beim Siegestor, der heute noch Sitz dieser Institution ist. Neureuther verstarb allerdings knapp ein Jahr später. Die mit dem Bau verbundenen Kontroversen und Strapazen, hatten den 75-jährigen Architekten zermürbt. Trotz der hohen Reparationszahlen, kam es beim Bau zu Finanzierungsproblemen, das Ludwig II. mit seinen anderen gigantischen Bauobjekten wie Linderhof, Neuschwanstein und Herrenchiemsse die bayerische Staatskasse überstrapazierte. Zudem kam es zu gegensätzlichen Kunstauffassungen zwischen Neureuther und Münchens anderem Stararchitekten, Georg Hauberrisser, dem Erbauer des Neuen Rathauses in München.

Die Kunstakademie gilt nicht nur als das erhaltene Hauptwerk von Neureuther, sondern als eine der wichtigsten Gebäude der Neorenaissance in Europa. Ähnlich wie das Polytechnikum, so legte Neureuther auch das Akademiegebäude als repräsentativer Längsbau mit vorspringendem Hauptteil und Kopfbauten an. In dem weiten Ehrenhof führt eine Rampe und eine von Reiterplastiken flankierte Treppe zu dem pompösen Eungang des Mittelpavillons. Ein Fries mit Emblemen und eine Reihe von Medaillon mit Künstlerbildnissen zieren die Frontseite des Gebäudes. Die strikt nach Norden ausgerichteten Ateliers befinden sich dagegen an einer schlicht gestalteten Seite.

Friedrich von Thiersch ergänzte zwischen 1909 und 19012 das Gebäude nach Norden mit einer 22 mal 13 Meter großen Aula. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, und mit verändertem Dach und Treppenhaus vereinfacht wieder aufgebaut.

Der zwischen 1992 und 2005 erbaute dekonstruktivistischer Erweiterungsbau des Wiener Architekturbüros Coop Himmelb(l)au setzt zu dem Neorenaissance-Bau einen radikalen Kontrapunkt.

 

 

Zeitgenössische Photographien von Gottfried Neureuther und Paul Heyse (um 1860) von Franz Hanfstaengel