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Das spanische Dream Team

Das spanische Architektenpaar Fuensanta Nieto und Enrique Sobejano führt seit Ende der 1980er Jahre ein Büro in Madrid. Die beiden Architekten studierten in New York an der Columbia University Architektur und Building Design und lernten sich dort kennen. Sie bilden seither im privaten wie im beruflichen Bereich ein Team.

 

Zumächst machten Sie sich als Architekturkritiker einen Namen und redigierten über lange Zeit die spanische Zeitschrift Arquitectura,  Zudem lehren sie heute an der Escuela Superior de Arquitectura de Madrid. Seit dem Wintersemester 2008 unterrichtet Enrique Sobejano auch an der Universität der Künste Berlin. In Berlin unterhält Nieto & Sobejano auch ein Architekturbüro.

Zu ihren in Deutschland bekannten Projekten gehören der Umbau der Moritzburg in Halle zu einem Museum. Zuletzt machten sie durch ihre Erweiterung des Museums San Telmo in San Sebastian von sich hören. Auch imösterreichischen Graz sind die spanische Architekten mit Arbeiten vertreten. Dort statteten sie das Kaufhaus Kastner & Oehler mit einer spektakulären Dachlandschaft aus und entwarfen die Erweiterung des Landesmuseums Joanneum. Internationale Bekanntheit errangen sie vor allem durch ihre Museen in Spanien, wie durch den Bau des Zentrum für Zeitgenössische Kunst in Cordoba, und vor allem durch das von ihnen entworfene archäologische Ausstellungsgebäude der mittelalterlichen Ruinenstadt Madinat al Zahra in Cordoba.

All ihre Projekte, die Moritzburg wie auch die folgenden, zeigen konsequent eine Haltung, bei der die historischen, meist vielschichtigen Bedeutungen des Ortes aufgegriffen und künstlerisch verarbeitet werden. So gelingt es, im Kontext Antworten zu finden und Vergangenheit mit der Gegenwart zusammenzuführen. Auffallend ist die reduzierte Gestaltung, die mit einfachen aber qualitätvollen Materialien arbeitet, das Gespür für spannungsvolle Räume, die den Erlebniswert der Architektur steigern.

 

Madinat al Zahra Museum, Cordoba (1999-2009)

„The tenth-century palace city of Madinat al-Zahra is widely considered to be one of the most significant early Islamic archaeological sites in the world, and the most extensive in Western Europe. Excavations at the site are still ongoing. The museum was conceived as a place to interpret the site and display the archaeological findings, as well as to serve as a training and research centre and the headquarters of the archaeological team.“ AD

In einem weiten Abstand der eigentlichen Ausgrabungsstätte des spanischen Kalifats erstellten Nieto & Sobejano einen in die Landschaft versenkten Ausstellungs- und Museumsbereich. An Olivenhaine wurde ein rechteckiges Baubereich angelegt. Er wurde in einzelne Parzellen untergliedert  und mit Innenhöfen und Dächern aus Cortan-Stahl erbaut. Das Rechteck-Muster wurde auch in den Betonwänden wieder aufgegriffen.

„Das Terrain der archäologischen Ausgrabungsstätten mit dem geplanten Museum ist bewegend, verursachte bei uns aber gemischte Gefühle. Auf der einen Seite, galt es die Sehnsucht nach einer fernen Vergangenheit zu durchdringen, dass die gesamte Landschaft, die sich um Cordóba erstreckt, erfüllt. Auf der anderen Seite lauerte das ungeordnete Wachstum von neuen Bauten über der alten Stadt. Unsere erste Reaktion  als wir den bestimmten Platz erreichten war: wir sollten nicht in einer dieser Landschaft bauen. In solch einer weiten Ausbreitung von Grund, dass erschlossen werden sollte, entschlossen wir uns wie Archäologen zu handeln: Keine neue Strukturen zu erstellen, sondern die darunter liegenden zu finden, wie das, was uns über die Zeit erhalten geblieben war neu zu entdecken.“ Nieto & Sobejano

Moritzburg Museum, Halle (2004-2008)

Die Moritzburg in Halle ist eine eindrucksvolle spätmittelalterliche Burganlage, die ursprünglich den Magdeburger Erzbischöfen als Residenz diente. Ihr Grundstein wurde 1484 gelegt, der erstmalige Bezug fand im Jahr 1503 statt. Spätere Anbauten erweiterten die prominente Anlage zu einem beeindruckenden Zeugnis von Spätgotik und Renaissance, bis sie im dreißigjährigen Krieg vorübergehend unbewohnbar wurde. West- und Nordflügel brannten aus und blieben als Ruine zurück. Eine schrittweise Umnutzung und Erweiterung der Moritzburg fand Ende des 18. Jahrhunderts im Spätbarock statt, als sie zu einem Lazarett umfunktioniert wurde. Das Erscheinungsbild aus dieser Zeit prägt die Moritzburg zwar bis heute, dennoch stellt sie ein Zeitzeugnis zahlreicher Epochen dar. Die trapezförmige Anlage wird wie eine Festung von vier Gebäudeflügeln umschlossen und von drei Rundtürmen an ihren Ecken eingefasst.

 Dem in der Moritzburg ansässigen Kunstmuseum fehlten seit langer Zeit zusätzliche Räumlichkeiten für die umfangreich zur Verfügung stehenden Ausstellungsgegenstände. Ganze Sammlungsbereiche konnten nur in temporären Wechselausstellungen gezeigt werden, da kein ausreichender Platz dafür vorhanden war.

Auch zeigte sich nach der Wende, dass eine Erweiterung und Modernisierung des Museums unumgänglich wurde, um gegenüber anderen Ausstellungshäusern konkurrenzfähig bleiben zu können. Ein internationaler Architektenwettbewerb für den Um- und Ausbau des ruinösen Nord- und Westflügels als Vergrößerung der Museumsfläche, sollte endgültig Abhilfe schaffen.

Die Preisträger – die Architekten Fuensanta Nieto und Enrique Sobejano aus Madrid – nutzten die Moritzburg in ihrem Entwurf optimal für Museumszwecke, gingen aber dennoch respektvoll mit dem historischen Bestand um und versuchten ihn weitgehend in ihr architektonisches Konzept einzubinden. Das auf ein Stahltragwerk aufgesetzte Aluminiumdach mit auskragenden, sich nach oben verjüngenden Oberlichtern und Verglasungen zum Innenhof, verzahnt West- und Nordflügel miteinander. Die Konstruktion, die auf dem historischen, nachträglich verstärkten Mauerwerk aufliegt, wird durch eine gedämmte Aluminiumhaut verkleidet. Durch das moderne Material, das für alle neuen Bauelemente – einschließlich des Eingangsbereiches – gleichermaßen eingesetzt wurde, entsteht ein wirkungsvoller Dialog zwischen der alten und neuen Bausubstanz. Ein zwischen Nord- und Westflügel platziertes Treppenhaus ermöglicht einen Rundgang durch die gesamte Ausstellung.



Die Räumlichkeiten des Erdgeschosses im Nordflügel konnten in ihrer alten Form weitgehend erhalten bleiben. Hier wurden Foyer, Kasse und Garderobe, der Museumsshop und das Museumscafé mit Freibereich untergebracht. Die Entwurfsidee der Architekten sah unter anderem vor, die Ausstellungsräume im Obergeschoss als weiße Boxen von der Dachkonstruktion abzuhängen und über Galerien zu erschließen. Die dadurch entstehenden Zwischenräume lassen die Dimensionen des zweigeschossigen Raumeindrucks wirksam werden. Im Obergeschoss des Nordflügels ermöglicht eine Glaswand zum Innenhof den Blick auf die erhalten gebliebenen Mauerreste der Moritzburg, die geschickt in den Entwurf einbezogen wurden. Während die Wände im Nordflügel zum Teil Verkleidungen oder einen Putzüberzug aufweisen, sorgen die rauen Bruchsteinoberflächen der Ausstellungsräume im Westflügel dafür, dass trotz der Modernität des Entwurfs der historische Raumeindruck erhalten bleibt. Insgesamt konnte durch das Konzept der spanischen Architekten eine Ausstellungsfläche von 2.000 Quadratmeter hinzugewonnen werden. Darüber hinaus bildet die Moritzburg nach dem Umbau wieder ein attraktives räumliches Ensemble.

San Telmo, San Sebastian (2005-2011)

Das Museum steht auf der Grenze der Stadt am Rande des Berges Urgull, vielfach modifiziert und umgebaut. 
Die Architekten wählten für den aktuellen Erweiterungsbau die Strategie der Camouflage: Wie eine grüne Wand ist er in den Berg hineingebaut, ein tiefer, lichtdurchfluteter Körper, dessen Form sich der Topographie der Landschaft anpasst. Er wird verdeckt von einer Fassade aus perforiertem Metall, die mit der Zeit bewachsen werden soll – von Moosen, Farnen und anderer ortstypischer Flora. Die Künstler Leopoldo Ferrán und Agustina Otero waren an der Konzeption der Stahlelemente beteiligt. Zwei Pavillons nimmt der Erweiterungsbau zudem auf, hier sind die neuen Funktionen und Räume für das Museum untergebracht – unter anderem die temporären Ausstellungen. 

Die Dauerausstellung befindet sich dagegen weiterhin im Altbau des Hauses, das aber über einen neuen Eingang zu erreichen ist. Die Haupthalle fungiert als natürlicher Verteiler aller neuen und alten Funktionen – von hier aus gelangt man zu den Garderoben, einem Shop, dem Auditorium, der Mediathek, einem Raum für die Museumspädagogik, der Cafeteria – und nicht zuletzt den Ausstellungsräume.

Bogenhausener Tor, München

Das bisher einzige Werk der spanischen Architekten in München soll bis etwa 2015 im Stadtbezirk Bogenhausen entstehen.

Dort will der Projektentwickler Bayern Projekt ein Gewerbe-Immobilien-Komplex mit fünf Hochhäusern nach den Plänen von Nieto & Sobejano erstellen. Die Gestaltung des Bogenhausener Tor weicht durch die geschwungene Form der Gebäude deutlich von den üblichen Bebauung mit Bürogebauden ab.

Weitere Informationen:

Hotel Königshof am Stachus: Drei Sieger beim Architektenwettbewerb

 

Ausstellungen und Preise

Alvar Aalto Medal 2015: Nieto Sobejano erhalten renomierten Architekturpreis

Architekturgalerige München: Memory and Invention – Werkschau von Nieto Sobejano

Literatur:

Luis Fernanández-Galiano (Hrsg.): AV Monografias, No 146 - Nieto & Sobejano

Spanisch und englisch mit Beiträgen unter anderem von Richard Ingersoll, Jürgen Tietz und Fuensanta Nieto sowie Enrique Sobejano

Bilder: Fotografien Roland Halbe von Presse Nieto Sobejano; sonst wikipedia