Moderner Postbeamter

Robert Vorhoelzer gilt als Vertreter der ansonsten in Bayern eher unterrepräsentierten klassischen Moderrne. Als Sohn eines Eisenbahnoberinspektors wird Vorhoelzer 1884 in Memmingen geboren. Nach seinem Abitur beginnt er ein Architekturstudium an der TH München. Nach seinem Diplom strebt Vorhoelzer eine Beamtenlaufbahn an und absolviert im bayerischen Landbauamt eine Ausbildung zum Regierungsbaumeister. Daneben ist er ab 1910 für zwei Jahre als Assistent von Karl Hocheder an der TH München tätig. 1911 geht er nach Abschluß der Regierungsbaumeisterausbildung zur Eisenbahndirektion München und später in die Augsburger Eisenbahndirektion. Neben dieser Festanstellung beteiligt sich Vorhoelzer auch an Wettbewerben. Während des 1. Weltkriegs dient er als Freiwilliger ab 1916 in einem bayerischen Pionierbataillon als Nachschuboffizier.

Im August 1920 wechselt Vorhoelzer als Oberbaurat in die in jenem Jahr neu geschaffene bayerische Postbauverwaltung in München, wo ihm die Leitung sämtlicher Baumaßnahmen der bayerischen Post obliegt. So entstehen in den zwanziger Jahren vor allem in den ländlichen Gebieten Bayerns zahlreiche Landpostämter, die sich durch knappe, stereometrische Grundformen und schwach geneigte Dächer auszeichnen und die mit der Berücksichtigung regionaler Bautraditionen den Heimatschutzgedanken aufnehmen. Sämtliche Postamtsbauten, die unter Robert Vorhoelzer entstehen, zeichnen sich durch eine vereinheitlichte Schalterhallenkonzeption aus, geprägt durch die Schaffung heller und übersichtlicher Räume und der Abkehr von der kaiserzeitlichen Amtsstube. Auch in der Verwendung einfachen Mobiliars und moderner Typographie zeigt sich das Bestreben, die Schalterhalle zum Ausdruck eines neuen Verhältnisses von Bürgern und Behörde werden zu lassen. Beispiele ist das 1922–1923 entstandene  Landpostamt in Penzberg, das Postamt Dillingen (1925).

 

 

 

 

 

 

 

In München entstehen in der Arnulfstraße die noch vom Art Deco geprägte Oberpostdirektion an der Arnulfstraße (1922–1924, Bild links) und das Paketzustellamt mit der Rotunde (1925–1926, Bild ganz oben). Dort entsteht auch durch die Zusammenarbeit mit Walther Schmidt und Hanna Löv die Versuchssiedlung des Bayerischen Post- und Telegraphenverbandes 1928–1929.

 

 

 

 

 

 

 

Vorhoelzers Bauten zeichnen sich aber auch oft als Wohnhäuser für Postbedienstete in Kombination der Postämter aus. Diese Gebäude werden in München als mehrgeschossige, der großstädtischen Lage angemessene Bauten an städtebaulich markanten Stellen errichtet. Vorhoelzer schafft durch die Gliederung dieser Postbauten in mehrere Baukörper platzartige Raumsituationen, in denen die Postämter zu neuen Mittelpunkten ihrer Umgebung werden.

 

 

 

 

 

 

 

Dazu zählen das Postamt in der Ismaninger Straße (1926-1927), das Postamt Agnesstraße (zusammen mit Franz Holzhammer und Walther Schmidt, 1928–1929), das Postamt an der Tegernseer Landstraße (zusammen mit Walther Schmidt 1929–1931: Postamt und Wohngebäude an der Fraunhoferstraße, München (zusammen mit Walther Schmidt, zwei unterste Bilder), das Postamt und Wohngebäude am Goetheplatz, München ((1931–1932, mit Walther Schmidt und Franz Holzhammer, Bild links), Postamt und Wohngebäude am Harras, München (1931–1932, zusammen mit Hans Schnetzer, Bild links oben und Bild links unten). Zu seinen Arbeiten gehört aber auch der Umbau der von Friedrich Bürcklein gestaltenen Frauengebäranstalt an der Sonnenstraße  zum Postscheckamt.

 

 

 

 

 

 

Mit seinen streng sachlichen, von überkommenen Vorbildern losgelösten Postbauten zählt Robert Vorhoelzer während der Weimarer Republik, neben Otho Orlando Kurz, zu den führenden Vertretern moderner Architektur in München. Durch seine Mitarbeiter wird die von Vorhoelzer geprägte Architektur weiter verbreitet. Die Postbauschule wird zu einer wichtigen Keimzelle der modernen Architektur in Bayern und beeinflußt als Modell einer dezidiert traditionellen Moderne auch das Bauschaffen im "Dritten Reich bei Industrie- und Militärbauten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Seine Stellung als Oberpostbaurat gibt Vorhoelzer auf, als er 1930 an der TH München zum Professor berufen wird. Mit Themen wie werkgerechter Materialbehandlung oder der räumlichen Gliederung der Entwürfe stehen in Vorhoelzers Lehre pragmatische Aufgaben im Vordergrund. Politische oder soziale Fragen des Neuen Bauens, wie die des Massenwohnungsbaus, spielen bei ihm jedoch keine Rolle.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu seinen Arbeiten gehören aber auch die Beschäftigung mit den bestehenden Bauten.Ai gestaltet er noch in seiner Tätigkeit in der Oberpostdirektion von Friedrich Bürkleins Frauengebäranstalt in der Sonnenstraße zusammen mit Helmut Dörfler und Herbert Zettel in ein Postscheckamt um. Mit dem Umbau erhielt die Backsteinfassade eine straffere Gliederung, indem die kleinteilige Fensterteilung zu großen Fensterflächen in den Bögen zusammengefasst wurden.

 

 

 

 

 

Im Oktober 1933 wird Vorhoelzer von den Nationalsozialisten der Lehrstuhl entzogen und in den Ruhestand versetzt, da er den neuen Machthabern als Baubolschewist gilt. Da ihm aber kein Berufsverbot auferlegt wird, kann er aber weiterhin als Architekt tätig bleiben, nachdem er bereits auch schon in seiner Zeit als Postbaurat nebenher private Bauaufträge wie das Landschulerziehungsheim in Schondorf durchführen konnte. Der Bau der Kirche Maria Königin des Friedens bleibt jedoch sein einziger ausgeführter Entwurf während des "Dritten Reichs".

1939 geht Vorhoelzer auf Empfehlung von Paul Bonatz als Leiter der Architekturabteilung an die Akademie der schönen Künste nach Istanbul, wo er die Nachfolge des verstorbenen Bruno Taut antritt. In Istanbul, wo während des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Architekten im Exil leben, kann sich Vorhoelzer wieder als Lehrer betätigen. Aufgrund der für seine Lehre benötigten Recherchen nach Luftaufnahmen werden gegen Vorhoelzer Spionagevorwürfe erhoben, die 1941 zur Demission von seinem Lehramt und zur Rückkehr nach Deutschland führen. Im Zuge des Krieges wird der 58-jährige 1942 zur Wehrmacht eingezogen und als Hauptmann der Reserve mit der technischen Überwachung von Bunkeranlagen beauftragt.

Direkt nach Kriegsende wird Vorhoelzer erneut als Professor an die TH München berufen. Zudem wird er zum Spezialkommissar für den Wiederaufbau der Hochschule ernannt und engagiert sich in der Trümmerräumung des Hochschulgeländes. Nach seinem Entwurf wird das Hauptgebäude der Hochschule wieder aufgebaut, wobei der Bestelmeyer-Bau mit einem neuen Dachaufbau und der offen gezeigten Skelettkonstruktion der Hoffassade wesentliche gestalterische Modifikationen erfährt.

Aufgrund der Spionagevorwürfe aus den Jahren des türkischen Exils gerät Vorhoelzer 1947 erneut in Schwierigkeiten. So wird ein Spruchkammerverfahren gegen ihn eingeleitet, das seine Rolle im Nationalsozialismus ergründen soll, weshalb er für ein halbes Jahr suspendiert wird. Obwohl Vorhoelzer rehabilititert wird, ist er von der neuerlichen Amtsenthebung schwer getroffen und beginnt sich innerlich zurückzuziehen. In der Nachkriegsdiskussion um den Wiederaufbau Münchens wies Vorhoelzer darauf hin, dass Teile der Stadt bereits vor dem Krieg sanierungsbedürftig gewesen seien. Er plädierte für einen radikal neuen Bebauungsplan, der auf Flachbau und Hochhaus setzte. Zudem forderte er, die Diskussion um den Wiederaufbau „vor aller Öffentlichkeit“ zu führen. 1952 wird er emeritiert, nur zwei Jahre später verstirbt Robert Vorhoelzer im Alter von 70 Jahren in München.Sein letztes großes Werk war die monumental angelegte Pfarrkirche St. Josef in Dingolfing, die nach seinem Tod 1954 bis 1956 ausgeführt wurde. Für diese Saalkirche entwickelte Vorhoelzer Motive fort, die er bereits bei der Giesinger Kirche „Maria Königin des Friedens“ eingesetzt hatte.

 

 

 

 

Literatur:

Jan Lubitz: Robert Vorhoelzer; September 2004

Florian Aicher: Robert Vorhoelzer - ein Architektenleben: die klassische Moderne der Post
München 1990