
Richard Rogers: Bekannter britischer Architekt verstorben
Der in Italien geborene Richard Rogers, später von Queen Elizabeth geadelte Stararchitekt wurde zusammen mit Renzo Piano durch den Bau des Centre Georges Pompidou in Paris bekannt. Spätestens nach der Errichtung des Lloyd´s Building in London galt der später geadelte Brite als High-Tech-Architektur-Papst.
Der britische Architekt Richard Rogers verstarb am 18. Dezember 2021 im Alter von 88 Jahren in London. Er wurde am 23. Juli 1933 in Florenz als Sohn italienischer Eltern geboren. Seine Mutter Dadawar sehr an modernem Design interessiert, sein Vater, war der Arzt William Nino Rogers (1906-1993), dessen Vorfahren um 1800 vom englischen Sunderland nach Venedig ausgewandert waren.
1938 zog die Familie von Italien nach England und dort wurde Richard Rogers eingeschult. Trotz einer Lese- und Rechtschreibschwäche schloss er 1951 die Sekundarstufe ab.
Während seines zweijährigen Militärdienstes wurde er nach Triest versetzt und lernte dort die Arbeiten des Architekten Ernesto Nathan Rogers (1909 – 1969), einem Cousin seines Vaters und Gründer und Partner des bekannten Architekturbüro BBPR (Sonnentherapie-Kolonie für Kinder in Legnano und Torre Velasca in Mailand), kennen.
Lehrjahre in AA, Yale und SOM
Rogers studierte daraufhin von 1954 bis 1959 an der Architectural Association School (AA) in London. 1961 konnte er mit einem Fulbright-Stipendium an der Yale School of Art and Architecture der Yale University in New Haven, Connecticut, USA.
Dort begann er sich stark für das Werk von Frank Lloyd Wright zu interessieren und lernte Norman Foster und Su Brumwell kennen, die ebenfalls dort studierten. Nach dem Studium arbeitete er zunächst für das Büro Skidmore, Owings & Merrill (SOM) in New York City, für das die führenden Architekten bedeutender Wolkenkratzer, wie Gordon Bunshaft, Fazlur Rahman Khan und Bruce Graham, in dieser Zeit arbeiteten zählten.
Team 4 mit Norman Foster
1963 kehrte Rogers nach England zurück. Gemeinsam mit seiner späteren Frau Su Brumwell sowie mit Norman Foster und dessen späteren Frau Wendy Cheeseman gründeten sie ihr eigenes Büro, das Team 4. Für Su´s Eltern, Marcus und Irene Brumwell, entwarf Team 4 das Wohnhaus Creek Vean (siehe Bild links) im Dorf Feock in Cornwell, für das sie bis zur Fertigstellung drei Jahre benötigten. Zudem entwarfen sie weitere Wohnhäuser, darunter 120 Häuser für Water Homes bei Coulsdan, sowie das Reliance Controls Gebäude in Swindon. Rogers und Foster erwarben sich einen guten Ruf für diese Architektur, die später in den Medien als „hightech architecture“ bezeichnet wurde, da sie Elemente der High-tech-Industrie mit dem Gebäudedesign verbanden.
1967 trennten sich Rogers und Foster und Rogers bildete mit seiner Frau Su, John Young und Laurie Abbott ein Architekturbüro, dass unter anderem das Haus 22 Parkside in Wimbledon für Rogers Eltern und ein Haus für den Fotografen und Maler Humphrey Spender konstruierte.
Partnerschaft mit Renzo Piano und das Centre Pompidou
Ab 1969 arbeitete Rogers mit dem italienischen Architekten Renzo Piano an verschiedenen Projekten, die nicht realisiert wurden. Im Juli 1971 wurde der Entwurf, den sie zusammen mit dem Architekten Gianfranco Franchini für das neues Pariser Kulturzentrum Centre Pompidou unter 681 Einreichungen von der Jury mit Oscar Niemeyer, Jean Prouvé und Philip Johnson als Sieger ausgewählt. Es war das erste Mal, dass in Frankreich für ein bedeutendes Bauwerk ein internationaler Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben wurde. Das sieben Stockwerk hohe Gebäude wurde anstelle der ehemaligen Großmarkthalle, auf einem zwei Hektar großen Grundstück an der Rue Beaubourg nach fünf Jahren Bauzeit errichtet. Am 31. Januar 1977 wurde es vom französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing eröffnet. Das Tragwerk und Rohre für Gebäudetechnik und Erschließung wurden sichtbar an den Gebäudeaußenseiten angeordnet. Dabei sind das Tragwerk und die Belüftungsrohre weiß bemalt, die Beförderung (Treppen, Rolltreppen) rot, Elektrik gelb, Wasserrohre blau und die Rohre der Klimaanlage grün. Dadurch bleiben die großen Nutzflächen im Inneren weitgehend frei von Stützen und sind dadurch flexibel nutzbar.
Während die Rohre der Gebäudetechnik weitgehend auf der Ostseite („Rückseite“) verlaufen, befindet sich auf der Westseite („Vorderseite“) eine teilweise rote überdachte Rolltreppe, die diagonal über die komplette Fassade verläuft. Vielen Kritiker fühlten sich bei dem Bau eher an einer Fabrikanlage oder einer Raffinerie erinnert und empfanden die Architektur als unpassend hinsichtlich Ort und Nutzung.
Das Centre Pompidou wurde jedoch sehr gut angenommen und gehört zu den weltweit mit am meisten frequentierten Kulturbauten, so dass 2010 das von Shiguru Ban geplante Centre Pompidou in der Außenstelle Metz und 2015 eine Außenstelle in Malaga eröffnet wurde.
Nach der Fertigstellung des Centre George Pompidou einiger weiterer Gebäude (Firmengebäude von Universal Oil Products in Großbritannien sowie von B&B in Como, Italien) trennten diesem Erfolg trennten sich die beiden Architekten und gründeten jeweils eigene Architekturbüros
The Richard Rogers Partnership und Lloyds of London
1977 gründete Rogers die Richard Rogers Partnership mit den Partnern Marco Goldschmied, Mike Davies and John Young. Rogers architektonische Formensprache mit einem demonstrativen Einsatz von High-Tech-Elementen, die eher an den Schiffsbau erinnert, zeigt sich am eindrucksvollsten in dem zwischen 1978 bis 1988 errichteten Hauptsitz von Lloyds of London (siehe Bild links).
Rogers entwarf für die altehrwürdigen Versicherungsinstitution in der City of London ein 14 geschossiges, 88 Meter hohes Techno-Gebäude, indem er wie beim Centre Pompidou alle Versorgungseinrichtungen wie Aufzüge, Treppen, Elektrik, Wasserversorgung an den Außenwänden des Gebäudes anbrachte, um im Inneren möglichst große und offene Räume zur Verfügung zu haben. Um den zentralen Raum mit der Halle des „Underwriting Room“ und den sich darüber erhebenden Galerien des 60 Meter hohen Atriums (siehe großes Bild oben) ordnete er drei Haupt- und drei Versorgungstürme an.
Das Gebäude war etwa zehn Jahre lang im Besitz der Deka, die es 2013 an die chinesische Versicherungsgesellschaft Pin An Insurance für 260 Millionen britische Pfund verkaufte.
In den Folgejahren wurden bedeutende Bürogebäude (Channel 4, Reuters Data Center, 1999: Daimler Komplex am Potsdamer Platz, Berlin), Fabrikanlagen (Inmos microprocessor factory), Flughafen-Terminals (1992: Aéroport de Marseille Provence , 2007 Control Tower Heathrow Airport, 2006: Adolfo Suárez Madrid–Barajas Airport Terminal 4; 2008: Heathrow Terminal 5) sowie öffentliche Gebäude (1995: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg - Bild links, 1999; Millenium Dome, London - Bild links unten; 1999: Justizpalast Bordeaux, 2005: Hesperia Tower in Barcelona, Spanien) errichtet.
Stadtplaner und streitbarer Architekt
Rogers hat sich in seinem späteren Berufsleben verstärkt auch mit den Themen Stadtplanung und Nachhaltigkeit beschäftigt. In der Ausstellung „ London As It Could Be“ in der Royal Academy 1986, welches seine Arbeiten und Visionen neben denen von James Stirling und Norman Foster präsentierte, setzte er sich mit einer Reihe von Vorschlägen für eine Verwandlung des Großraums London ein, die aber von der Stadtspitze und -verwaltung nicht aufgegriffen wurde.
1998 wurde er schließlich auf Vorschlag der britischen Regierung zum Vorsitzenden der Urban Task Force ernannt, die er bis 2005 vorstand. Die Arbeitsgruppe sollte die Gründe für den Verfall einiger britischer Städte identifizieren und Lösungsvorschläge für die Sicherheit, Wachstum und Schönheit der Städte ausarbeiten. In dem White Paper „Towards an Urban Renaissance“ machte die Arbeitsgruppe mehr als 100 Empfehlungen. So wurde ein von Gestalter geleiteter Regenerationsprozess und die Entwicklung spezieller städtische Gebiete, die Umwandlung ehemaliger Industriegebiete (Brownfield Land), die stärkere Einbeziehung der Menschen vor Ort in die Stadtplanung sowie der bessere Anbindung der Wohngebiete durch den Ausbau der Infrastruktur (Straßen, ÖPNV, Bahnlinien) gefordert. Rogers war von 2001 bis 2008 Chefberater des damaligen Bürgermeisters von London, Ken Livingstone (Labour), und danach bis 2009 von dessen Nachfolger Boris Johnson (Conservative).
Rogers, der 1991 von Queen Elizabeth II. zum Ritter und 1996 lebenslang zum Baron erhoben wurde, warf im Sommer 2009 in einem Architekturstreit mit Prinz Charles dem Thronfolger vor, er missbrauche in Fragen der Architektur (Projekt der „Chelsea Barracks“) seine konstitutionelle Rolle und mische sich mit seiner persönlichen Architekturanschauung in politische Prozesse ein.
Großprojekte von Rogers Stirk Harbour + Partners
Seit 2007 – dem Jahr als Richard Rogers den Pritzker Architektur Preis erhielt – firmiert Rogers Architekturbüro mit seinen Partnern Graham Stirk and Ivan Harbour unter den Namen Rogers Stirk Harbour + Partners mit Sitz in den Thames Wharf Studios in London sowie Büros in Shanghai und Sydney. Zu den größeren Projekten der vergangenen Jahren zählt die Fertigstellung des Terminal 5 (2008) von London Heathrow, die riesige Überdachung des World Conservation and Exhibitions Centre (2014) im Britischen Museum (siehe Bild links) sowie des 225 hohen Leadenhall Building (2014) gegenüber dem Lloyds Bulding, dass wegen seiner Form auch als „Cheesegrater“ (Käsereiber) bezeichnet wird. Im Bau befinden sich verschiedene weitere Wolkenkratzer, von denen die 329 Meter hohen Three World Trade Center auf dem Areal der am 11. September 2001 zerstörten Twin Towers in New York City die bekanntesten sind (geplante Fertigstellung 2018).
Werke (Auswahl)
unter Team 4
1966: Skybreak House, Heartfordshire, Großbritannien
1966: Creek Vean, Feock, Cornwall, Großbritannien
1967: Reliance Controls Factory, Swindon, Großbritannien
1967: Planung für Wohnanlage für Water Homes, Coulsdon, Großbritannien
mit Sue Rogers, John Young, Lauroe Abbott
1967: 22 Parkside (Bild links) für Rogers Eltern, Wimbledon, London, Großbritannien
1968: Zip Up Haus, Großbritannien
1968: Humphrey Spender´s Haus, Maldon, Großbritannien
unter Piano + Rogers
1973: B6B Italia, Firmensitz, Como, Italien
1974: Universal Oil Products, Tadworth, Großbritannien
1977: Centre Feorge Pompidou, Paris, Frankreich
1977: IRCAM, Paris, Frankreich
1983: Patscentre Research Laboratory, Melbourn, Großbritannien
unter Richard Rogers Partnership
1981: Fleetguard Manufacturing Fabrik, Quimper, Frankreich
1982: Inmos Microprozessor Fabrik, Newport, Großbritannien
1984: Lloyd´s, London, Großbritannien
1985: PA Technology Centre, Princeton, USA
1987: Centre Commercial St. Herbain, Nantes, Frankreich
1987: 45 Royal Avenue, London, Großbritannien
1987: Paternoster Square, London, Großbritannien
1988: Old Billingsgate Market, London, Großbritannien
1989: The Deckhouse, Thames Reach, London, Großbritannien
1992: Reuters Data Center, London, Großbritannien
1992: Aéroport de Marseille Provence
1993: Kabuki-cho Tower, Tokyo, Japan
1994: Channel 4, London, Großbritannien
1995: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Straßburg, Frankreich
1999: Daimler Komplex Potsdamer Platz (Bild links oben), Berlin
1999: Palais de Justice de Bordeaux (Bild links), Bordeaux, Frankreich
1999: Millenium Dome, London, Großbritannien
1999: 88 Wood Street, London Großbritannien
1999: Lloyd´s Register, London, Großbritannien
2001: Skylight, Stephanstraße 14 - 16, Frankfurt/Main
2003: Minami-Yamashiro Grundschule bei Kyoto, Japan
2004: Paddington Waterside, London, Großbritannien
2005: Tower Bridge House, London, Großbritannien
2005: Senedd (National Assembly for Wales), Cardiff, Großbritannien
2005: Hesperia Towers, Barcelona, Spanien
2006: Adolfo Suárez Madrid–Barajas Airport Terminal 4 (Bild links)
2006: East River Waterfront, New York City
2007 Control Tower Heathrow Airport, London, Großbritannien
unter Rogers Stirk Harbour + Partners
2007: Central Park Station, Kaohsiung, Taiwan
2008: London Heathrow Terminal 5, Großbritannien
2008: Maggie´s Centre, London, Großbritannien
2010: One Hyde Park, London, Großbritannien
2014: World Conservation and Exhibitions Centre im British Museum, London, Großbritannien
2014: The Cheesegrater, 122 Leadenhall Street, London, Großbritannien
im Bau:
International Towers, Sydney, Australien
Atrio Towers, Bogotá, Kolumbien
Three World Trade Center, New York City, USA
Bildnachweis: von oben - Inside the Lloyd's building, 2011, Foto: Lloyd's of London; Queen Elizabeth II with Richard Rogers and Sue Essex, opening the Senedd, Cardiff, Wales, National Assembly of Wales; Creek Vean, Feock, Cornwall, England, Foto: Ian Graymore; Le Centre Georges-Pompidou et l'église Saint-Merri, Foto: Jean-Christophe Windland; Lloyd's of London, Leadenhall Street, geograph.org.uk, Stephen Richards; A mosaic image of the Lloyds Building in London, taken by myself with a Canon 5D and 24-105mm f/4L IS lens from the 9th floor of Planatation Place building in London, England; Photo by DAVID ILIFF. License: CC-BY-SA 3.0; Europäischer Gerichtshofs für Menschenrechte, Straßburg, Foto: © Ralf Roletschek; O2 Arena, near to Blackwall Tunnel, Greenwich, Great Britain, Foto: Ian Paterson; Great Court of the British Museum in London, Photo by DAVID ILIFF. License: CC-BY-SA 3.0; Die Büro-, Geschäfts- und Wohnhäuser Linkstraße 2 and Linkstraße 4 am Potsdamer Platz in Berlin-Tiergarten vom Tilla-Durieux-Park, Foto: Beek100; New wing of Bordeaux's Palais de Justice, Robert Schediwy; New terminal at Barajas airport in Madrid, Spain, Foto [DavidDennis/Flickr