
Aldo Rossi oder Architettura Razionale
Vor 20 Jahren starb Aldo Rossi bei einem Autounfall. Mit der Verwendung von fundamentalen geometrischen Formen schuf der Mailänder Architekt reduzierte Bauwerke von einer eigenen strengen Ästhetik, die ihre Wirkung aus dem Spiel von Licht und Schatten entfalten. Vielen Menschen ist Rossi wegen seinen Alessi-Kaffekannen und Wasserkessel ein Begriff.
Aldo Rossi wurde am 3. Mai 1931 in Mailand geboren, wo sein Vater die von Aldo Rossis Großvater gegründete Fahrrad-Manufaktur Rossi leitete. Aldo Rossi wuchs am Comer See und später in Lecco auf.
Redakteur und Kritiker der Architektur der Moderne
Von 1949 bis 1959 studierte Rossi Architektur am Polytechnikum Mailand. Ab 1955 arbeitete er nach Einladung von Ernesto Nathan Rogers als freier Journalist und nach Studienabschluss ab 1959 als Redakteur bei der Architekturzeitschrift Casabella Continuità. Rossi wurde auch stark vom Film und Theater geprägt, ein Interesse das er lebenslang beibehielt und dessen Erfahrung er später auch in seinen (Theater-)Bauten architektonisch umsetzten konnte. Gegen Ende der 1950er Jahre gehörte Rossi zu den Kritikern der dogmatischen Architektur der Moderne. Als Schüler von Rogers zählte er zu der Gruppe des „Neoliberty“, einer späten Spielart des Jugendstils.
Erste Bauten und die Architektur der Stadt
Anfang der 1960er-Jahre verwirklichte Rossi mit den „Resistenzia“-Denkmal in Cuneo (1962) und dem Partisanendenkmal in Cuneo (1965) bei Mailand seine ersten Bauten. Dabei verwandte er elementare dreidimensionale Formen der Geometrie wie den Kubus, Pyramide und Zylinder. Auch sind dort bereits klassizistische Elemente und Einflüsse zu erkennen. Seine Entwurfsmaxime der Verwendung dieser elementaren geometrischen und klassizistischen Bestandteile, die Bedeutung des typologischen, formalen und metaphysischen Aspekts in Rossis Architektur, haben ihren Ausgang in diesen ersten Entwürfen.
In dieser Zeit wurde Rossi zusammen mit Luca Meda auch als Veranstaltungsplaner für die Triennale in Mailand und in Lehre an Hochschulen tätig: So arbeitete er zunächst als Assistent bei Lucovico Quaroni an der Schule für Stadtplanung in Arezzo und als Assistent bei Carlo Aymonino an der Fakultät für Architektur und Stadtplanung der Universität Venedig (IUAV) und ab 1965 als Dozent an der Polytechnischen Hochschule Mailand. 1966 veröffentlichte er seine Theorien zur modernen Architektur in seinem Buch „L'architettura della città“ (Die Architektur der Stadt), in dem er die traditionelle europäische Stadt analysierte. Darin kritisiert darin das modernistische Dogma, wonach die Form aus der Funktion erwachse. Stattdessen würden formal prägnante Monumente sich vielfältigen Nutzungen anpassen könnten. Seine Forderung: Städtebau soll historisch-kritisch die überkommenen Stadtstrukturen weiterentwickeln. Von 1972 bis 1974 war Rossi Gastprofessor an der ETH Zürich, wo auch Jacques Herzog und Pierre de Meuron zu seinen Schülern zählten.
Architettura Razionale in Theorie und Praxis
Rossi entwickelte seine Theorie weiter, in dem er eine autonome Architektur forderte, die zwar die Stadt als historischen Ort begreift, die aber die soziale oder politische Fragen weitestgehend ausblenden soll. Damit grenzte er sich von dem Razionalismo der späten 1920er Jahre und 1930er Jahre von Giuseppe Terragni und der Gruppo 7 ab, griff aber mit seinem 1973 veröffentlichten Buch „Architettura Razionale“ auf die Idee des Razionalismo der Abstraktion durch Reduktion von architektonischen Grundelementen als Entwurfsmethode zurück.
Seine charakteristische, auf wenige geometrische Grundformen reduzierte Architektursprache, findet in seinen in diesen Jahren entwickelten Bauwerke ihren Höhepunkt. Dazu gehören die 1969–1973 erbaute Wohnzeile im Quartiere Gallaratese 2 /siehe Bild links) in Mailand, das Rathaus in Muggio (1972) oder die Grundschule in Fagnano Olona (1972–1976).
Am deutlichsten ist die von rationalen, klassizistischen und monumentalen Stilen ausgehende reduzierte Formenspreche aber am Friedhof San Cataldo in Modena (siehe großes Bild oben) zu erkennen. Rossi gewann den Wettbewerb 1971 und realisierte die Anlage in mehreren Bauabschnitten in den folgenden Jahren. Dabei setzte er die Wirkung von Licht und Schatten als ein herausragendes Gestaltungselement ein.
Ab 1972 arbeitete Aldo Rossi mit Gianni Braghieri zusammen, mit dem er den Wettbewerbsentwurf für den Sitz der Regionalverwaltung in Triest (1974), die Mittelschule in Broni (1979–1980) und das schwimmende Teatro del Mondo für die Theater- und Architekturbiennale 1980 in Venedig entwarf.
Internationale Bekanntheit
Von 1981 bis 1988 entsteht im Rahmen der Internationalen Bauaustellung IBA in Berlin das vielbeachtete Wohn- und Geschäftshaus an der Wilhelmstraße in Friedrichstadt. Rossi erlangt dadurch größere internationale Bekanntheit. Auch seine Bauten in Italien, wie das Teatro Carlo Felice in Genua (1982 – 1990) werden im Ausland aufmerksam registriert.
In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre verwirklicht Rossi auch etliche Bauprojekte außerhalb Europas, wie die Architekturschule der Universität Miami (1986–1992), das Hotelgebäude in Fukuoka in Japan (1987–1989, Bild links) und die 1995 mit bekannten Vertretern der Postmoderne wie Philipp Johnson und Charles Williard Moore errichtete Musterstadt Celebration für Disney World.
Mit der Verleihung des Pritzker-Architektur Preis im Jahr 1990 erhielt er die international bedeutendste Auszeichnung für Architekten.
Designer für Alessi
Seit 1980 arbeitete Rossis auch mit der Firma Alessi in Crusinallo (Omegna) zusammen. Mit den zahlreichen für Alessi entworfenen Objekte, wie die Kaffeekanne Rossicaffè (1984), den Wasserkessel Il Conico (1986) und die Espressomaschine La Cupola (1990) wurde sein Name auch in breiten Kreisen von Menschen bekannt, die sich weniger für Architektur interessieren.
Rossis Spätwerk
Auch in seinen Bauten näherte Rossi sich eher dem Zeitgeist und dem Geschmack der Masse an, seine Werke wie im erwähnten Celebration, das Bonnefantmuseum in Maastricht oder der Wohnblock in der Berliner Schützenstraße verloren an Klarheit und Strenge, die von der Architettura Razionale geprägten Bauten der 1970er-Jahre auszeichnen.
Am 4. September 1997 starb Aldo Rossi in Mailand an den Folgen eines Verkehrsunfalls am Lago Maggiore. Sein letztes großes Projekt, der Wiederaufbau des am 29. Januar 1996 abgebrannten Theaters La Fenice in Venedig, wurde von seinen Büromitarbeitern zu Ende geführt.
Werke (Auswahl)
1960: Villa ai Ronchi, Versilia, Italien
1965: Partisanendenkmal, Segrate, Italien
1973: Wohnblock Gallatrese, Mailand, Italien
1976: Grundschule Bild links), Fagnano Olana, Italien
1979: Teatro del Mondo, Venedig, Italien
1979: Apartments Südliche Friedrichstadt für IBA, Berlin
1979: Monumental Tower, Melbourne, Australien
1982: House Pocono Pines, Mount Pocono in Pennsylvania, USA
1984: San Cataldo Friedhof (Bild links unten), Modena, Italien
1986: South Villette, Paris, Frankreich
1987: Casa Aurora, Turin, Italen
1988: Wohn- und Geschäftshaus Wilhelmstraße, Friedrichstadt, Berlin
1988: Einkaufszentrum Centro Torri, Parma, Italien
1989: Hotel Il Palazzo, Fukuoka, Japan
1989 de Lamel Appartements, den Hague, Niederlande
1990 Monument für Sandro Pertini, Mailand, Italien
1990: Wohnanlage Forellenwegsiedlung (mit Adolf Krischanitz, O. M. Ungers), Salzburg, Österreich
1991: Carlo Felice Theater (mit Ignazio Gardella, Fabio Reinhart, Angelo Sibilia), Genua, Italien
1995: Bonnefanten Museum, Maastrich, Niederlande
1995: Musterstadt Celebration Disney World (mit Michael Graves, Philip Johnson, Charles Moore, Cesar Pelli, Robert A. Stern, Robert Venturi) , Florida, USA
1995: Villa Alessi, Suna di Verbania, Italien
1998: Quartier Schützenstraße, Berlin
2001: Scholastic Geadquarters, New York City, USA
2004: Wiederaufbau Gran Teatro La Fenice, Venedig, Italien
Veröffentlichungen (Auswahl)
1966 L'architettura della città. Padova, 1966, deutsch: Die Architektur der Stadt. Skizze zu einer grundlegenden Theorie des Urbanen,
1973 Architettura razionale
1975 Scritti scelti sull'architettura e la città. 1956-1972
1976 "La città analoga"
1981 Autobiografia scientifica
Quellen: http://www.fondazionealdorossi.org/ ; http://www.pritzkerprize.com/1990/bio; https://deu.archinform.net/arch/125.htm ; https://de.wikipedia.org/wiki/Aldo_Rossi
Bildnachweis von oben nach unten: Cimitero di San Cataldo (Monumentale Cesare Costa e Aldo Rossi), Foto: Massimo Alberici; Aldo Rossi, Porträt (ca. 1986-1987), Quelle: (WP:NFCC#4); ; Wohnblock Gallaratese in Mailand, 1968–1973, Foto: Formkurve92; Grundschule, Fagnano Olana: https://en.wikiarquitectura.com/index.php/File:Fagnano_olona_1Aldo Rossi La Cupola Espresso Machine produced by Alessi, Foto: austin calhoon2.jpg