
SANAA: Die unendliche Leichtigkeit des Seins
Das von Kazuyo Sejima (siehe Bild) mit RyÅ«e Nishizawa 1996 gegründete Büro SANAA gilt als das führende japanische Architekturbüro, die experimentelle Bauwerke im Stil des Minimalismus entwerfen. Ende des Monats wird Kazuyo Sejima 60. Nun wurde SANAA für ihr Projekt Grace Farms mit dem Mies Crown Hall Americas Prize ausgezeichnet..
1995 gründete Kazuyo Sejima (*29.10.1956, siehe Bild links) mit RyÅ«e Nishizawa (*1966) im Tokioer Bezirk Shinagawa das Büro SANAA, das sich aus ihren Intialen ableitete (Sejima And Nishizawa And Associates). Nach dem Abschluss ihres Architekturstudiums an der Japan Women's University in Tokio, hatte Sejima in dem Architekturbüro des späteren Pritzker-Preisträgers Toyo Ito gearbeitet. 1987 gründete sie ihr eigenes Architekturbüro Kazuyo Sejima & Associates. Nishizawa, der nach seinem Architekturstudium an der Yokohama National University dort arbeitete, leitet neben SANAA auch sein eigenes Architekturbüro, das 1997 gegründete Office of RyÅ«e Nishizawa.
Die scheinbare Leichtigkeit der Gebäude und die Philosophie ihrer Gestaltung wird gut in der Begründung der Jury für die Vergabe des Pritzker-Preises im Jahre 2010 beschrieben: „Die Gebäude von Sejima und Nishizawa erscheinen täuschend einfach. Die Architekten haben eine Vision ein Bauwerk als nahtloses Ganzes zu errichten, dessen physische Präsenz und Form zu Gunsten der Menschen, deren Aktivitäten und der Landschaft zurücktritt. Sie erforschen die Wirkung der Phänomene des durchgehenden Raumes, des Lichts, der Transparenz und des Materials, um eine subtile Synthesis zu schaffen.“
Kleinere Gebäude in Japan
Bis 2000 hatte das Büro wenige Bauten errichtet, die jedoch für Aufsehen in der Architekturwelt gesorgt hatten. SANAA baut im Stil des Minimalismus, die Materialien (Sichtbeton, Stahl, Aluminium und Glas) sind meist unbehandelt, die Gebäude sind fast ausschließlich weiß gehalten.
Zuerst errichtete SANAA hauptsächlich kleine Häuser und Pavillions in der Umgebung von Kazuyo Sejima Heimatstadt Ibaraki in der Präfektur Osaka. Für internationales Aufsehen sorgte das zwischen 1997 und 1998 errichtete filigrane Koga Park Café in Ibaraki (siehe Bild links).
Mit dem Bau des aufgestützten Glasgebäudes des O-Museums in Iida, Nagano, im Jahr 1999 galt SANAA als eines der avantgardistischen Architekturbüros in Japan.
Internationaler Durchbruch mit Mode-Stores und Museumsbauten
Um die Jahrtausendwende folgte nach dem O-Museum das erste Museumsgebäude, dann Stores für die internationalen Modefirmen Dior, Issey Miyake und Prada. Es folgten international Museumsbauten, die aber anfänglich zum Teil unausgeführt blieben (unrealisiert 1997: The Museum of Contemporary Art in Sydney, Australien, 1998: The New Campus Center of the Illinois Institute of Technology, Chicago, USA; 2002: Mercedes Benz Museum in Stuttgart). Im Jahre 2000 waren SANAA auf der Architekturbiennale in Venedig im einer Installation im japanischen Pavillon vertreten.
Die realisierten Museumsbauten wie das 21st Century Museum of Contemporary Art in Kanazawa, Ishikawa, Japan und das Glass Pavillon im Toledo Museum of Art, Ohio, USA gelten bereits als moderne Museumsklassiker. Das 21st Century Museum of Contemporary Art in Kanazawa hat einen kreisrunden Grundriss mit einem Durchmesser von 112 Metern. Dadurch wurde die bebaute Grundfläche gering gehalten und mehrere Eingänge von verschiedenen Seiten ermöglicht. Die Verglasung an der Außenseite sowie Innenhöfe sorgen für eine hohe Transparenz und gute Belichtung mit Tageslicht.
Umstrittener Kubus in Essen
Einziges und nicht unumstrittenes Bauwerk von SANAA in Deutschland ist der 2006 errichtete Zollverein-Kubus in Essen. Er steht am Eingang der Hauptzufahrt zum Gelände des Weltkulturerbes Zeche Zollverein, die anlässlich der Ernennung zum UNESCO-Welterbe 2001nach einem Masterplan durch den neiderländischen Architekten Rem Koolhaas von dem Architekturbüro OMA zu einem lebendigen Kultur- und Wirtschaftsstandort umgestaltet wurde. SANAA gewannen 2002 mit ihrem Entwurf den Gestaltungswettbewerb. Ausgeführt wurde der Bau von dem Essener Architekten Heinrich Böll. Die Gesamtkosten für das Gebäude betrugen 23 Millionen Euro.
Das Gebäude mit einer Grundfläche 35 auf 35 Meter und einer Höhe von 34 Meter ist in seinem inneren Aufbau großzügig und transparent. Im Inneren offenbart sich die Besonderheit des Gebäudes, das in fünf Ebenen unterteilt, sich auf auf einer Gesamtnutzfläche von rund 4900 Quadratmeter erstreckt. Je nach Standort des Betrachters, Tageszeit, Lichteinfall und Beleuchtung ergeben sich immer wieder neue, überraschende Perspektiven. Aufenthaltsräume, Bibliothek und Seminar-Räume verteilen sich auf eigene Ebenen. Einzige durchgängige Elemente sind dabei drei frei stehende Kerne Größe. Die fünfzig Zentimeter starke Decke überspannt so zwischen den vier Außenwänden, den drei Kernen und den beiden Stützen maximal sechzehn Meter. Auffälliges Merkmal des Gebäudes ist die Konzentration der Fenster an den Ecken im Südwesten und Nordosten aufgrund der Belichtung der dort befindlichen Bibliothek, Arbeitsplätze und Seminarräume. Der Bund Deutscher Architekten zeichnete den Kubus 2010 mit dem Architekturpreis Nike in der Kategorie „beste städtebauliche Symbolik“ aus.
Aufgrund der eigenwilligen Gestaltung des Kubus der hohen Betriebskosten des Gebäudes konnte die dort untergebrachte Privathochschule Zollverein School of Management and Design kaum Studierende gewinnen und niemals kostendeckende Einnahmen erzielen. Seit 2010 im Gebäude der Fachbereich Gestaltung der Folkwang Universität für Gestaltung untergebracht.
Museumsbauten in New York und Lens
2007 wurde das New Museum of Contemporary Art in der Bowery Street in New York City eröffnet. SANAA entwarf es auf einem schmalen Grundstück als siebenstöckiges Gebäude mit einer Nutzfläche von circa 20.000 Quadratmeter. Das Gebäude, das außerlich wie eine Sammlung von übereinander gestapelten Boxen wirkt (Bild unten links), erweist sich im Inneren als spannender und lichter Museumsbau.
2012 wurde wurde die neue Louvre-Filiale im nordfranzösischen Lens eröffnet. Das SANAA als schlichten Gebäudekomplex aus mehreren Pavillons entworfen hatte.
Um die Gebäude in gewissem Maße mit der Umgebung verschmelzen zu lassen (siehe großes Bild oben), wurden sie mit einer Hülle versehen, die entweder verglast oder mit poliertem und eloxiertem Aluminium bekleidet ist.
Fließende Räume im Rolex Center in Lausanne
Das für die Universität École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) errichtete multifunktionale Rolex Learning Center gilt als gutes Beispiel für die Umsetzung der Idee der fließenden und scheinbar unbegrenzenten Räume. SANAA gewannen im Jahr 2004 den Wettbewerbsentscheid der Ausschreibung für das Gebäude, in dem neben der Bibliothek auch ein Hörsaal, Ausstellungshalle, Konferenzraum, Arbeitsräume für die Studenten und Wissenschaftler, Büroräume, eine Cafeteria, ein Restaurant und Ruhezonen im Gebäude untergebracht werden sollte. Etwas über die Hälfte der zwei Hektar großen Nutzfläche besteht aus ungenutzten Bereichen, sogenannte „weiße Räume“, welche die in Japan so typischen fließenden Übergänge in den Häusern schaffen. 90 dünne Pfeiler stützen das parallel zum gewellten Boden verlaufende Dach. Innen wie außen begrenzen ausschließlich Glasfenster das Center, es gibt keine Türen, Wände und Flure (siehe großes Bild unten). Zwei Monate nach der Eröffnung am 22. Februar 2012 wurde SANAA mit dem Pritzker Architektur Preis ausgezeichnet.
Grace Farm
Das jüngste fertig gestellte Bauwerk ist die auf der 30 Hektar großen der Grace Farm im US-Bundesstaat Connecticut errichtete Konstruktion, „The River“ getauft, da sie eine unverkennbare Ähnlichkeit zu einem Fluss aufweise. Der Entwurf knüpft gestalterisch an die vergangenen Arbeiten der Architekten, insbesondere ihr Serpentine-Pavillon von 2009 an. Ein hauchdünnes Dach aus Stahl windet sich über die hügelige Landschaft und spiegelt alles, was sich unter ihm befindet. Die schlanken Stützen und Glaswände verleihen der Konstruktion zusätzlich einen schwebenden Charakter. 

 „Unser Ziel war es, das Gebäude zu einem Teil der Landschaft werden zu lassen, ohne zu viel Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen. Die Besucher sollen sich durch das Gebäude verstärkt an der wunderschönen Umgebung mit seinen wechselnden Jahreszeiten erfreuen können“, yo Kazuyo Sejima. In dem Gebäude befinden sich Gemeindezentrum, Schule, Kindergarten und Kapelle.
Werke (Auswahl)
1996: Multimedia Studio, Gifu, Japan
1996: S House, Okayama, Japan
1997: N Museum, Wakayama, Japan
1997: M House, Tokio, Japan
1997: Welfare Center, Kanagawa, Japan
1997: K Office Building, Ibaraki, Japan
1998: Koga Park Café, Ibaraki, Japan
1999: O-Museum, Iida, Nagano, Japan
2000: Prada Beauty Store, Arezzo, Italien
2000: Installation for the Japan Pavilion für Biennale Venedig
2003: Dior Omotesando Store, Tokio, Japan
2003: Issey Miyake Store by Naoki Takizawa, Tokio, Japan
2004: 21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa, Ishikawa, Japan,
2004: Zollverein, Schule für Management und Design, Essen
2006: Glass Museum, Toledo Museum of Art, Ohio, USA
2006: De Kunstlinie, Almere, Niederlande
2006: Naoshima Ferry Terminal, Kagawa
2007: New Museum of Contemporary Art, New York, USA
2009: Serpentine Gallery, London
2009: The Rolex Learning Center, Ecole Polytechnique Federale Lausanne, Schweiz
2012: Le Louvre-Lens (Bild oben), Lens, Frankreich
2015: Grace Farms (Bild links), New Canaan, Connecticut, USA
Bildnachweis von oben: Louvre Lens Sanaa, Foto: Julien Lanoo,https://www.flickr.com/photos/eager/10781120344/sizes/o/; Kazuyo Sejima, Foto: Rama; Koga Park Café, Ibaraki, Japan, Design by SANAA ( Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa ) in 1998, Foto: Wiiii; Zeche Zollverein in Essen, School of Management and Design, Foto: Hpschaefer http://www.reserv-art.de; Zollverein School of Management and Design, Essen, Germany, innere, Alena Hanzlová - original print; New Museum of Contemporary Art, Foto: Moritz Schmaltz; Grace Farms, New Canaan, USA, Foto: Jllm06; Universität Lausanne, Rolex Learning Center, Innenansicht, Foto: Hpschaefer www.reserv-art.de