Die Pracht des Monumentalen

Er galt als Meister der Symbiose historischer Baustile. Seine Fähigkeiten brachte Friedrich Thiersch unter anderem den Auftrag zur Errichtung des monumentalen Münchner Justizpalastes und den Adelstitel ein. Thiersch gilt als Schöpfer eine der schönsten Kuppelbauten und ist einer der bedeutendsten Vertreter des Späthistorismus der Gründerzeit.

 

Friedrich Thiersch wurde am 18. April 1852 in Marburg an der Lahn geboren und wuchs dort auf. In Stuttgart studierte er an der Technischen Hochschule von 1868 bis 1873 Architektur. Anschließend arbeitete er beim Frankfurter Architekturbüro Karl Jonas Mylius und Alfred Friedrich Bluntschli. 1878 machte er sich selbständig.

Auf Bildungsreisen durch Europa eignete er sich ein umfangreiches baugeschichtliches und architektonisches Wissen an, auf das er später bei seinen historistischen Bauten zurückgriff. Er habilitierte und wurde als Professor an die Königlich Technische Hochschule München berufen. Nach seinem Durchbruch als Architekt blieb er in München wohnhaft, erstellte aber Bauwerke in ganz Deutschland, die ihm zu großem Ansehen verhalfen.

1882 nahm er am zweiten Architekturwettbewerb für das Reichstagsgebäude in Berlin teil und bekam auch mit Paul Wallot den 1. Preis zuerkannt. Wallots Entwurf wurde aber letztlich umgesetzt. 1887 gelang ihm mit dem Wettbewerbssieg um den Auftrag zum Bau des monumentalen Münchner Justizpalast jedoch den Durchbruch. Mit der Fertigstellung des Justizpalastes 1898 erhielt er die Rittermedaille der Bayerischen Krone und wurde somit in den Adelsstand erhoben.

In München entstanden nach seinem Entwurf noch das Bernheimer Palais (1889–1891), die Neue Börse (1898–1901) sowie das Neue Justizgebäude (1902–1905). Von Kaiser Wilhelm II erhielt er den Auftrag, die historischen Altäre von Pergamon und Altyra für die Berliner Museumsinsel zu rekonstruieren und verschaffte ihm den Auftrag zum Bau des Wiesbadener Kurhauses (1902 bis 1907).

Friedrich von Thiersch wich von geltenden, akademischen Mustern ab und schuf prachtvolle historisierende Bauten. Er galt neben Paul Wallot als führender Experte für den Kuppelbau und versah seine Gebäude mit monumentalen Innenräumen. Zudem hielt er sich auf dem neuesten Stand der technischen Entwicklung. Zu seinen  Mitarbeiter zählen Martin Dülfer, Carl Hocheder und Theodor Fischer, Schüler waren so unterschiedliche Architekten wie German Bestelmeyer, Otho Orlando Kurz und Hans Döllgast, er war mit Gabriel von Seidl und Max Littmann befreundet. Am 23. Dezember 1921 verstarb Thiersch in München. 

 

Bernheimer-Haus, Lenbachplatz 5 (1887–1889, erweitert 1909)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für den jüdischen Kunsthändler, Kaufmann und Königlich Bayerischen Hoflieferanten Lehmann Bernheimer (1841–1918) entwarf Friedrich Thiersch einen neobarocken Palast als Wohn- und Geschäftshaus im Lenbachplatz 3 in München. Thiersch verwendete dabei die damals modernste Bautechnik, um den Ladenbereich großzügig verglasen zu können, überbrückten Stahlträger die großen Öffnungen der Fassade. Der Ladenbereich erstreckte sich über ein Unter- und zwei Obergeschosse. Im dritten und vierten Stockwerk befanden sich die Wohnräume. Während realisieren zu können.  Die Fassade gestaltete der Architekt und Vertreter des Jugendstils Martin Dülfer. 1909 wurde der Komplex durch einen Anbau an der Ottostraße erheblich erweitert.

Als die Familie Bernheimer ihr Münchner Stammhaus des Kunsthandel im Bernheimer Palais auflösten, wurden das Gebäude durch den Architekten Alexander von Branca Ende der 1980er Jahre umgestaltet. Branca rekonstruierte Teile der Fassaden, entkernte aber Teile des Baus und zerstörte originäre Innenräume wie der Gobelinsaal im Anbau von 1909. Das Gebäude wurde anschließen als Geschäftshaus (Kokon) und Restaurant („Lenbachs“) sowie als Bürohaus umgebaut. Auftraggeber war der Immobilienunternehmer Jürgen Schneider, der sich vor allem durch die aufwendige Sanierung historischer Immobilien wie die Mädler-Passage und Barthels Hof in Leipzig einen Namen machte. Schneider geriet aber in Zahlungsprobleme, weshalb sich die Umgestaltung des Bernheimer Hauses verzögerte. Nach seiner Milliardenpleite im Jahre 1994 wurde Schneider 1995 verhaftet und wegen Kreditbetrugs und Urkundenfälschung zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. 

 

 

Justizpalast, Karlsplatz (1891–1897)

 

Der Justizpalast gilt neben dem Reichsgericht in Leipzig und dem Reichstag in Berlin – den Thiersch im Wettbewerb knapp gegenüber Paul Wallot unterlag – als bedeudenster Monumentalbau der Gründerzeit. Es wurde auf dem Grund errichtet, wo zuvor das Kadettencorps und das Clemensschlössl befand. 

Das Gebäude hat einen rechteckigen Grundriß mit den Ausmaß 138 mal 80 Meter und umschließt zwei Innenhöfe. Eine 67 Meter hohe Glaskuppel, die sich über eine gewaltige Halle mit Treppenhaus erhebt, bildet das Zentrum. Als Vorbild für das Treppenhaus diente Thiersch vermutlich das Augustinerchorherrenstift St. Florian in Österreich. 

 

Darüber wird die Kuppel von einer nur von außen sichtbaren Laterne bekrönt.

Die Dekoration der Fassade wurde von Thiersch detailiert ausgearbeitet und erstreckt sich über drei Seiten des Gebäudes.

Das Gebäude war Schauplatz zeitgeschichtlich bedeutender und aufsehenserregender Gerichtsverfahren. 1943 fanden im Justizpalast vor dem Volksgerichtshof die Prozesse gegen die Mitglieder der Widerstandsgruppe Weißen Rose statt. Und 1962 wurde der aufsehenerregenden Indizienprozesses gegen Vera Brühne wegen Mordes an dem Münchner Arzt Otto Praum geführt.

 

 

 

 

Kurhaus Wiesbaden, Kurhausplatz, Wettbewerb (1898 -1907)

 

Das Kurhaus Wiesbaden gilt als eines der Hauptwerke und schönstes Gebäude Friedrich von Thiersch. Es besteht aus zwei gleich großen Flügeln, dem Südflügel mit einem großes Festsaal (Friedrich-von-Thiersch-Saal) mit 1350 Sitzplätze, dem Muschelsaal und mehreren kleineren Gesellschaftsräumen sowie einem Wintergarten zum Kurhauspark.

 

Der Nordflügel beherbergt den kleineren Festsaal (Christian-Zais-Saal), ein Restaurant (Käfer’s) sowie die Spielbank von Wiesbaden. Zwischen Nord- und Südflügel befindet sich das Foyer (links oben) als große Halle, das  von einer 21 Meter  hohen Kuppel überragt wird, der durch den Haupteingang auf der Westseite betreten wird. Im Kuppelraum des Foyers befinden sich vor den vier Wandmassiven überlebensgroße Kopien griechischer Götterstatuen, über ihnen runde Mosaikmedaillons mit farbigen Darstellungen aus der römischen Götterwelt. Der Ausgang befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite zum Kurhauspark. Der Haupteingang mit einem Säulenportikus ist der Höhepunkt der 128 Meter langen Westfassade.

 

 

Villa Hößlin, Romanstraße (1901)

Der etablierte Friedrich von Thiersch war ein begehrter Architekt im Bürgertum. Dennoch baute er wenige Villen, im Gegensatz zu seinem Bruder August Thiersch. Eines dieser Häuser, wie von Friedrich von Thiersch gewohnt im monumental-repräsentativen Stil errichtet, ist die Villa Hößlin im Villenviertel Nymphenburg. Auftraggeber war der Hofrat und Kuranstaltbesitzer Hößlin. Der Bau mit einem quadratischen Grundriss zeichnet sich durch seinen Eckturm aus, der ursprünglich eine Loggia aufwies. Auch von der Farbgestaltung ist außer den Ornamenten heute nichts mehr zu sehen. In dem Gebäude befindet sich nun die Polizei-Direktion München-West.

 

 

Erweiterungsbau der Technischen Hochschule

München, (1906–1916)

Als König Maximilian II. das „Königliche Polytechnikum“ gründete, erbaute Gottfried von Neureuther zwischen 1866 bis 1868 für die Lehranstalt einen prächtigen Neorenaissancebau mit einem Mitteltrakt entlang der Arcisstraße. Knapp ein halbes Hahrhundert später ergänzte Friedrich von Thiersch Neureuthers Bau durch einen Erweiterungsbau entlang der Gabelsberger- und der Luisenstraße. Er rahmte damit das Hochschulgelände durch eine Blockbebauung ein. Besonders auffallend ist Thierschs dominanter Turmbau im südlichen Eingangsbereich an der Gabelsbergerstraße. Im Gegensatz zu dem von Neureuther erstellten Gebäudetrakt überstand der von Thiersch den Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs beziehungsweise wurde weitgehend wieder errichtet.

 

 

 

Literatur:

Winfried Nerdinger (Hrsg.): Architekturführer München, Dritte Auflage