
Helmut von Werz: Ein Architektenleben
Die Architekturgalerie München zeigt in einer Ausstellung Werke des Architekten Helmut von Werz. Grundlage dafür ist das von Cordula Rau und Georg von Werz herausgegebene Buch über den Architekten, der die Archäologische Staatssammlung, das Hochhaus des Bayerischen Rundfunks und zahlreiche Kirchen- und Schulbauten in München entworfen hat.
Helmut von Werz prägte zusammen in der Architektengemeinschaft mit Johann Christoph Ottow, Erhard Bachmann und Michel Marx das Stadtbild Münchens. In dem beachtlichen Werk, das er gemeinsam mit seinen Partnern schuf, wird der Geist der Nachkriegsarchitektur sichtbar, der einerseits vom Maßhalten und Bewahren bestimmt ist, sich andererseits der Avantgarde gegenüber nicht verschließt.
Bekannte Gebäude sind die Nazarethkirche in Bogenhausen, die St-Anna-Schule im Lehel, das Hochhaus des Bayerischen Rundfunks nahe dem Hauptbahnhof, der Sonnenblock am Altstadtring oder die Archäologische Staatssammlung am Englischen Garten. Gerade der zuletzt genannte Neubau übernahm zu seiner Zeit auf Grund von Modernität und dem Einsatz neuer Materialien eine Vorreiterrolle, da er als einer der ersten Stahlbetonbauten mit rostbildenden Corten-Stahlplatten realisiert wurde.
Die Ausstellung zeigt eigens angefertigte Modelle der wichtigsten Projekte, zahlreiche Darstellungen in Bild und Text sowie persönliche Erinnerungsstücke. Gleichzeitig wird auch die erste Monographie (Birkhäuser Verlag) über Helmut von Werz vorgestellt.
Helmut von Werz Ein Architektenleben 1912-1990
Zeit: 13.11.2014 bis 13.12.2014; Eröffnung um 18 Uhr
Ort: Architekturgalerie München, Türkenstraße
Licht und Leichtigkeit für die Schulen
Einige der frühen Bauten von Helmut von Werz erinnern in ihrer Eleganz an die Wohnhäuser von Sep Ruf in der Theresienstraße in der Maxvorstadt und am Habsburgerplatz in Schwabing. Dazu gehört die zwischen 1953 und 1955 entstandene St.-Anna-Volksschule am St.-Anna-Platz im Lehel. Zwischen einem auf schlanken Stützen „schwebender“ Kopfbau mit drei quadratischen Fenstern und der 1914 von Hermann Leitenstorfer entworfenen Mädchenoberschule wurde ein fünfgeschossiger Klassentrakt errichtet. „Gläserne, gleichmäßig strukturierte Fassaden ziehen sich im Wechselspiel mit geschlossenen Wandscheiben um das Gebäude.“ Die leicht abstehenden Jalousien, die gerundeten Gebäudeecken und das leicht zurückgenommene Dachgeschoss mit dem auskragenden Flugdach verleihen dem Gebäude eine schöne Leichtigkeit. Die nach Süden ausgerichtete Klassenräume werden durch Tageslicht erhellt, auch das helle Treppenhaus mit der einläufigen Treppe besticht durch Helligkeit und schwungvolle Eleganz.
Der Einfluss der skandinavischer Architektur mit ihren eleganten Formen, dem menschlichen Maßstab und der Helligkeit der Räume und der parkähnlichen Umgebung lässt sich auch an anderen Schulgebäuden ablesen. Dazu gehören die Volksschule in Traunstein und die nach dem „Schustertyp“ angelegten Camerloher Straße in Laim.
Geometrische Kirchenbauten mit Oberlicht
In den Jahren des Wiederaufbaus und der Errichtung neuer Stadtteile entstandene aus der Feder von Helmut von Werz zahlreiche Kirchenbauten im Großraum München sowie im Chiemgau. Dazu gehören die Heilig-Geist-Kirche in Ebersberg (1958 – 1960), die Offenbarungskirche (1960-1961) im Münchner Stadtbezirk Berg am Laim, die Nazaretkirche (1961-1962) im Münchner Bezirk Bogenhausen und die Evangeliumskirche (1962-1963) im Hasenbergl im Norden Münchens.
Von Werz experimentierte bei den Kirchenbauten mit neuen Raumformen, die sich aber an einfachen geometrischen Grundmuster wie dem gleichschenkligen Dreieck, dem Quadrat und dem Rechteck bedienten. In der Regel handelt es sich um Bauten mit geschlossenen Umfassungsmauern, die durch Tageslicht von oben erhellt werden. Je nach Jahres- und Tageszeit ergeben sich dadurch eigene Lichteffekte.
Beispielhaft kann dafür die Evangelumskirche im Hasenbergl angeführt werden. Seitlich der Decke fällt durch ein transluzent verglastes Betongitterwerk natürliches Tageslicht in den rechteckigen Kirchenbau (siehe Aufmacherbild oben).
Ebenfalls von oben wird die Nazaretkirche am Rande der Parkstadt Bogenhausen beleuchtet. Der Bau weist ein quadratischer Grundriss auf, über dem sich eine achteckige kuppelartige Deckenkonstruktion erhebt, die an eine Moschee erinnert. Über die dekorative Betonformsteine eingebetete Verglasung fällt auch hier von oben Tageslicht in den Kirchenraum. Heute ist die Nazaretkirche mit ihrem in der Außentreppe integrierten Glockenträger aus Sichtbeton zwischen hohen Bäumen eingebettet (Bild links).
Klar gegliederte Bürobauten
Ein wichtiger Bestandteil im Schaffen Helmut von Werz und seiner Mitarbeiter sind die Verwaltungsbauten. Zu den auch städtebaulich relevanten Bauten gehört der zwischen 1957 und 1960 am Altstadtring entstandene Sonnenblock. An der Stelle des ehemaligen Münchner Volkstheaters wurde ein Ensemble aus drei Bürogebäude, darunter ein zwölggeschossiger Turm, errichtet. Trotz seiner städtebaulichen Dominanz, wirkt die Bebauung aufgrund der transparent-verglasten Ladenzeilen, des großzügigen, vom Straßenlärm abgeschirmten Innenhofes mit Springbrunnen und seiner zum Flanieren einladenden offenen Passagen leicht und elegant.
Der ursprünglich Bau in die Farben Weiß und Blau gegliederte Komplex wurde vor Kurzem von der Munich Re generalsaniert und erhielt mit der Firmenfarbe Dunkelgrün und Weiß ein neues, aber dezent-passendes Erscheinungsbild.
Die Bedeutung einer klaren Gliederung ist auch in dem Spätwerk Helmut von Werz in dem Hochhaus des Bayerisch Rundfunks (1974 bis 1978) in der Maxvorstadt unübersehbar. Für eine klare Gliederung sorgen die vorgesetzten Betonbrüstungen und die dazwischenliegenden Fensterbänder. Trotz seiner Höher und Größe wirkt auch dieser Verwaltungsbau relativ leicht und elegant.
Raum zum Wohnen
Nach dem Krieg war Wohnraum in München extreme Mangelware. Zusammen mit anderen Architekturbüros wurde das Büro Helmut von Werz in Projektgruppen berufen, die für den Bau neuer Großsiedlungen in München zuständig waren. Dazu zählten die Parkstadt Bogenhausen, das Siedlungsgebiet um Schloss Fürstenried im Süden, des Hasenbergls und die Siedlung am Lerchenauer See im Norden Münchens sowie im Osten das Hochhaus Ramses in Süd-Aubing. Es entstanden viele Wohneinheiten mit funktional-durchdachten Grundrissen in Geschosswohnungsbauten, die meist von großzügigen Grünanlagen umgeben waren. Viele Bewohner schätzen auch heute noch deren Vorzüge – von Außenstehenden wird der Hochausbau heute weitgehend abgelehnt.
Archäologie und Corten-Stahl
Zu dem bekannten Spätwerk Helmut von Werz zählt das in den Jahren 1972 bis 1975 entstandene Gebäude der Archäologischen Staatssammlung am Englischen Garten im Stadtviertel Lehel. Der Gebäudekomplex für Ausstellungsräumen, Restaurierungswerkstätten, Verwaltung und Depot setzt sich aus sechs verschieden große, in gestaffelter Tiefe und Höhe Kuben zusammen. Bsonders eindrucksvoll ist die Fassade des Museums aus gekanteten Corten-Stahl-Platten, die im Laufe der Zeit ihre heutige mattbraune Patina erhielten (Bild links).
Das Architekturbüro
Der 1912 in Siebenbürgen geborene Helmut von Werz gründete nach seiner Teilnahme im Zweiten Weltkrieg 1946 in München sein Architekturbüro. Sechs Jahre später trat der „Preuße“ Johann-Christoph Ottow als Partner bei. In ihrer Verschiedenheit ergänzten sich der charismatische von Werz und der analytisch-formale Ottow sich als Büropartner ideal. 1971 wurde die Partnerschaft um Erhard Bachmann und Michel Marx erweitert. Das Architekturbüro wurde nach Helmut von Werz' Tod weitergeführt und trägt inzwischen den Namen Brechensbauer Weinhart + Partner Architekten. Partner sind: Georg Brechensbauer, Claus Weinhart, Joachim Werner, Andreas Pietsch, Michael Irlen, Markus Bachmann, Thomas Grühn.
Werke (Auswahl)
Siedlung Haar, München (vor 1951)
Schule am St. Anna-Platz, Lehel, München (1953-1955)
Parkstadt Bogenhausen, München (1955-1956)
Südbau Klinikum rechts der Isar, Bogenhausen, München (1955-1957)
Sonnenblock, Altstadt, Sonnenstraße, München (1957-1960)
Camerloher Schule, Laim, München (1957-1961)
Heilig-Geist-Kirche, Ebersberg (1958-1960)
Großwohnanlage Hasenbergl, München (1958-1960)
Krankenhaus Harlaching, Harlaching, München (1960-1965)
Offenbarungskirche, Berg am Laim, München (1960-1961)
Nazaretkirche, Bogenhausen, München (1961-1962)
Evangeliumskirche, Hasenbergl, München (1962-1963)
Wohnhochhäuser Lerchenauer See (1963-1964)
Wohnhochhaus Ramses in Neuaubing, Am Westkreuz, München
Haus Pfifferloh, Pifferloh (1964)
Haus Rittweger, Grünwald, München (1966)
Concordia-Feuerversicherung, Ludwigsvorstadt, München (1968-1969)
Wohnanlage Neuperlach (1969-1971), München
Krankenhaus Martha-Maria, Solln, München (1970-1972)
Beschützende Werkstätten der Lebenshilfe, Sendling, München (1972-1973/1977-1978)
Archäologische Staatssammlung, Lehel, München (1972-1975)
Hochhaus des Bayerischen Rundfunks, Maxvorstadt, München (1974-1976)
Aufstockung Bayerischer Rundfunk Riemerschmid-Bau, Maxvorstadt, München (1977-1979)
Kreiskrankenhaus Pfaffenhofen, Pfaffenhofen/Ilm (1979-1983)
Literatur:
Cordula Rau, Georg von Werz (Herausgeber): Helmut von Werz, 280 Seiten, in deutsch und englisch, Birkhäuser Verlag
Fotografien: Evangeliumskirche: © Florian Holzherr, Assistenz: Vanessa Seuffert; Schule am St. Anna Platz: © Fritz Thudichum; Nazaretkirche: © Florian Holzherr, Assistenz: Vanessa Seuffert; Sonnenblock – Innenhof: © Fritz Thudichum; Archäologische Staatssammlung: © Florian Holzherr, Assistenz: Vanessa Seuffert;