
Einzelhandel: Neue Mieter trotz Umsatzdruck
Wegen der Onlinekonkurrenz haben etliche Einzelhändler Probleme, die hohen Ladenmieten zu zahlen. Dennoch gibt es in den beliebten Einkaufsmeilen kein Wiedervermietungsproblem.
Mit der Adventszeit hat die heiße Phase des Einzelhandels begonnen. In wenigen Wochen setzen viele Händler so viel um, wie im ganzen restlichen Jahr zusammen nicht.
Doch die Euphorie ist verhalten. „Von einem Geschenkefieber kann zumindest bislang keine Rede sein. Viele Kunden scheinen offenbar wieder bis zur letzten Minute zu warten und haben geschaut, aber nicht gekauft“, erläutert Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Handelsverbands Bayern (HBE).
Zunehmend mehr Menschen kaufen ihre Weihnachtsgeschenke statt im Laden, lieber stressfrei abends per Onlineshopping vor dem eigenen Computer. „Der Anpassungs- und Verdrängungsdruck im Einzelhandel wächst. Händler und Vermieter von Einzelhandelsobjekten müssen sich immer mehr einfallen lassen, um die Kunden in die Läden zu locken“, folgert Markus Wotruba, Leiter Standortforschung, BBE Handelsberatung. Denn obwohl die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den deutschen Einzelhandel so günstig wie schon lang nicht mehr sind, finde seit etwa 2011 das Wachstum kaum noch in der Fläche statt. Den stationären Händlern bleiben deshalb laut Wotruba nur zwei Möglichkeiten, um auf den wachsenden Druck des Onlinehandels zu antworten. Entweder, die Händler sind exzellent und haben eine ganz klare Positionierung für einen stationären Verdrängungswettbewerb oder sie selbst wachsen selbst online mit.
Auch die Vermieter von Läden in Spitzenlagen müssen sich daher auf stagnierende Mieten und einen Rückgang der Vermietungszahlen einstellen. „Deutete sich zur Jahresmitte 2019 eine leichte Entspannung auf dem Vermietungsmarkt für die Big 10 Einzelhandelsstandorte an, konnten zum dritten Quartal nur drei Metropolen mit guten Vermietungszahlen überzeugen“, so JLL-Research-Chef Helge Scheunemann in der „Einzelhandelsmarktübersicht“. Dort wurden bis zum dritten Quartal für dieses Jahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum nur für Frankfurt, Hannover und Nürnberg steigende Vermietungsumsätze gemeldet, während die anderen Standorte überwiegend zweistellige Einbrüche erlitten (siehe Tabelle).
Auch in München, wo zwischen Stachus und Marienplatz bundesweit die höchsten Ladenmieten gezahlt werden, sind stagnierende Mieten und leicht rückläufige Neuvermietungszahlen zu beobachten. Selbst große Textilketten bleiben von Umsatzeinbußen nicht verschont. Im Juni verkündeten H&M, dass sie ihren Mietvertrag in der Kaufingerstraße 24 nicht verlängern werden. Die Wiedervermietung in Münchens beliebtesten Einkaufsmeilen ist aber kein wirkliches Problem. Im Sommer 2020 wird das amerikanische Lifestyle-Label Urban Outfitters die rund 2500 Quadratmeter Einzelhandelsflächen von H&M übernehmen. München weist bezogen auf Ladenzahl und Einzelhandelsflächen geringe Verfügbarkeitsquoten auf.
Das Einzelhandel-Onlinekonzept.
Die Strategie des Schuhhändlers Deichmann gegen Onlineversandhändler wie Zalando können Kunden in der neuen Filiale in der Kaufingerstraße prüfen. Zum Angebot gehören dort nicht nur 47.000 Paar Schuhe, sondern auch eine „Online-Exklusiv-Abteilung“ (siehe Bild Seite 06). „Hier werden in einem Pilotprojekt Modelle gezeigt, die es nur im Onlineshop gibt“, erklärt das Unternehmen. Die Musterschuhe könnten „in die Hand genommen und in den gängigsten Größen auch anprobiert werden“. Eine Bestellung sei „über die Kasse, über ein Touchdisplay oder über die iPads des Verkaufspersonals“ möglich. Gezahlt wird an der Kasse, bevor die Schuhe nach Hause geliefert werden.
„Trotz zahlreicher neuer Konzepte erscheinen die beiden Münchener Top-Adressen, die Kaufingerstraße und die Neuhauser Straße, uniformer“, kritisiert Stephan Kippes, Autor der „IVD-Einzelhandelsfluktuationsstudie“. „Dagegen erfreut sich die Sendlinger Straße, trotz ebenfalls zunehmender Filialisierung, mit ihrem individuellen Charakter einer stetig steigenden Beliebtheit“, so Kippes. 2019 gab es fünf Neubesetzungen: So öffneten die Filialen des italienischen Menswear-Spezialisten Boggi Milano und des französischen Sportartikelherstellers Salomon.
In den vergangenen zwölf Monaten kam es aber vor allem in der Leopoldstraße, im Tal und der Maximilianstraße – nach der Residenzstraße die Einkaufsmeile mit der langfristig höchsten Fluktuationsquote (siehe Tabelle unten links) – zu den relativ meisten Ladenwechseln.
In Münchens Edelmeile, der Maximilianstraße, eröffneten die italienische Luxusmodemarke Brunello Cucinelli und der Münchner Lederwarenspezialist MCM ihre Geschäfte. Auch in weniger exklusiven Straßen gab es viel Neues. „Wie bereits 2018 erlebte das Tal bei einer Fluktuationsquote von zehn Prozent die meisten Umgestaltungen – in sechs der 60 ansässigen Ladenlokale kam es zu einem Mieterwechsel“, so Kippes.
Regionale Einzelhändler versuchen, sich mit zum Teil erheblichen Investitionen – wie Sport Scheck – gegen die vordringenden Filialen internationaler Unternehmen zu behaupten. Dennoch weist die Innenstadt eine Vielfalt auf. Während in der Kaufingerstraße, der Neuhauser Straße und der Sendlinger Straße überwiegend die Kategorie „Fashion/Accessoires/Beauty“ vorherrschen, bedienen das Tal und der Marienplatz vermehrt die Kategorie „Gastronomie“.