
Alte Heide und Hirschau: Natur und Bürotürme
Das Viertel Alte Heide und Hirschau umfasst den idyllisch gelegenen Norden des Englischen Gartens sowie eine große Bandbreite verschiedener Wohnlagen und gewerblich genutzter Flächen. In den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten wurde hier viel gebaut.
Wo heute die Bürotürme Highlight Towers und m.pire des Chicagoer Stararchitekten Helmut Jahn stehen, ästen früher die Hirsche. Im Namen des Bezirksteil von Schwabing-Freimann – Alte Heide/Hirschau – hat sich die Bezeichnung der Geweihträger erhalten.
Bereits 1613 sind auf dem ersten gedruckten Münchner Stadtplan des Vermessers Tobias Volckmer am Garchinger Mühlbach Hirsche (Bild rechts) eingezeichnet. Als Hirschanger diente der heute als Hirschau bezeichnete nördliche Bereich des Englischen Gartens bis zum Aumeister, dem 1810 errichteten Haus des Aujägermeisters (siehe Bild links). Der Wald- und Aumeister hatte nicht nur das Wild in diesem Teil der Isarauen zu hegen, sondern auch die Teilnehmer an den Hofjagden zu bewirten. Bald wurde der Aumeister von Ausflüglern aufgesucht und ist bis heute eine der beliebtesten Münchner Gaststätten mit Biergarten im Englischen Garten.
Nur langsam wurde die westliche Gegend zwischen den ehemaligen Dörfern Schwabing und Freimann dichter besiedelt. Ende des 19. Jahrhunderts entstand an der Ungererstraße nach Plänen des Münchner Stadtbaurats Hans Grässel der Nordfriedhof, gegenüber wurde 20 Jahre später die Siedlung Alte Heide errichtet. Dafür hatten nach dem Zweiten Weltkrieg die ansässigen Industriebetriebe Krauss-Maffei, BMW und die Deutsche Reichsbahn die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Alte Haide gegründet. Theodor Fischer entwarf die damals erste Wohnanlage in Zeilenbauweise. Dabei gelang es ihm hygienische Kleinwohnungen mit hoher Wohnqualität zu entwerfen, indem er für jede Wohnung Querlüftungen durch Fenster auf der Ost- wie auch auf der Westseite plante, die zu sehr günstigen Mieten angeboten werden konnten.
Während des Zweiten Weltkrieges, in den Jahren 1941 bis 1943, entstanden weiter nördlich auf der Ostseite der Ungererstraße von Hermann Leitenstorfer entworfene Wohnblöcke und ein Hochbunker, den der Projektentwickler Euroboden vor Kurzem in ein Luxuswohnhaus umbaute. 1952 bis 1958 errichtete der Bauunternehmer Karl Stöhr nördlich an der Siedlung Alte Heide angrenzend die Wohnanlage Emilienhof.
Eine Stadt für Studenten
Ein weit größeres Wohnquartier entstand später an der Grasmeierstraße am Englischen Garten. Auf Initiative der Münchner Hochschulen und des Studentenwerkes wurde 1958 das Konzept der Studentenstadt in Anlehnung der Cité Internationale Universitaire de Paris vorgestellt. Der Baugrund wurde vom Freistaat, die Anfangsfinanzierung durch die Stiftung des deutsch-amerikanischen Mäzens Max Kade gestellt. Gebaut wurde nach dem Entwurf des Architekten Ernst Maria Lang. Der erste Abschnitt der Studentenstadt, die „Altstadt“, entstand von 1961 bis 1968 und besteht aus niedriggeschossigen Häusern. Die 1971 bis 1975 errichteten hochgeschossigen Häuser, darunter das Hans-Seidel-Haus mit 19 Stockwerken, werden als Neustadt bezeichnet. Insgesamt verfügt die Studentenstadt über 2.478 Wohnplätze in 14 Häusern und ist damit die größte Studentensiedlung Deutschlands.
Das größte Stadtentwicklungsprojekt entsteht aber seit 2000 mit der Parkstadt Schwabing. Das westlich der Einmündung der A9 auf einem 40 Hektar großen Gebiet gelegene Quartier wird überwiegend gewerblich genutzt (siehe Seite 06). Das Areal wurde von Helmut Röschingers Argenta erworben und federführend entwickelt. Nach dem Entwurf des Münchner Architekten André Perret (prpm Architekten) wird der westlich gelegene Wohnbereich des Quartiers durch große Bürogebäude mit den Hochhäusern Highlight Towers und dem m.pire entlang der A9, der Domagkstraße und der Schenkendorfer Straße vom Verkehrslärm abgeschirmt. Zwischen zwei Reihen von Büroblöcken befindet sich ein 500 Meter langer Park vom Landschaftsarchitekten Rainer Schmid. Nur im südwestlichen Bereich der Parkstadt Schwabing sind noch an der Anni-Albers-Straße Baufelder für Wohnbebauung mit 84.000 Quadratmeter Geschossfläche vorgesehen, die in den kommenden realisiert werden sollen.
In der Bauphase befindet sich das Quartier nördlich der Domagkstraße auf dem Areal der ehemaligen Funkkaserne, wo nahezu ausschließlich Wohnhäuser entstehen. Ein ehemaliges Kasernengebäude wurde zum Städtischen Atelierhaus umgebaut und bietet für 120 Künstler Ateliers. Die meisten Bauherren sind im Konsortium DomagkPark im entsprechenden Internetauftritt vertreten. Dazu gehören die städtische Wohnungsunternehmen GEWOFAG und Heimag, die Wohnungsgenossenschaften Frauen Wohnen, Wagnis und Wogeno sowie die Baugemeinschaften Gemeinsam Größer, Domagkstraße, Schwabing Nord, Schwabing Plus sowie Stadtgestalten Domagkpark und die Rosa-Alscher-Gruppe. Zudem errichten private Wohnungsunternehmen wie Klaus Wohnbau oder die Wowobau, die nicht im Konsortium Mitglieder sind, Eigentumswohnungen. Die Preise sind allerdings nur für wenige erschwinglich. So bietet der Vermittler Primmo eine Vier-Zimmer-Dachterrassenwohnung mit 144 Quadratmeter Wohnfläche für über eine Million Euro an. Auch die Quadratmeterpreise anderer Wohnungen des Anbieters liegen bei 7300 Euro.
Im Zentrum befindet sich ein Park mit altem Baumbestand. Hirsche sucht man hier allerdings vergeblich.
Das Viertel in Zahlen
Der heutige Bezirksteil Alte Heide – Hirschau des 12. Münchner Stadtbezirks Schwabing-Freimann teilt sich östlich des Schwabinger Bachs in den Parkbereich des Englischen Garten Bereich und westlich davon in einen mit Wohnhäuser und gewerblich genutzten Häuser bebauten Bereich auf.
Östlich der Isar grenzt die Alte Heide – Hirschau an die Bogenhausener Bezirksteile Oberföhring und Herzogpark und im Süden an die Nachbarsviertel Münchner Freiheit, Biederstein und Kleinhesselohe, wobei die Grenzlinie ein gutes Stück südlich der Schenkendorfer Straße bzw. im Osten noch südlicher verläuft.
Die Tramlinie 23 bildet die Grenze zum westlich gelegenen Nachbarviertel Neufreimann. Auf der nördlichen Seite der Gleisanlagen, die nördlich des Frankfurter Ring verlaufen, befinden sich die die Bezirksteile Freimann und Obere Isarau.
Einwohner: Der Altersdurchschnitt der Bewohner liegt deutlich unter dem Stadtdurchschnitt: Der Grund ist die große Anzahl von Studenten in der Studentenstadt.
Infrastruktur: Mit dem Englischen Garten im Osten und dem Petuelpark im Süden weist das Viertel einen hohen Freizeitwert auf. Das Viertel ist über die U-Bahnlinie U3 (U-Bahnhöfe Dietlindenstr., Nordfriedhof, Studentenstadt) und der Tramlinie 23 (Münchner Tor, Anni-Albers-Str., Domagkstr., Schwabing-Nord) an das ÖPNV angeschlossen.
Immobilien: Die Mieten in der Alten Heide sind relativ günstig, sonst aber überdurchschnittlich hoch. Für Käufer kaum Angebot an Bestandswohnungen. Neue Wohnungen entstehen in der Leopoldstr. und dem Domagkquartier.
Ulrich Lohrer, verfasst am 05.07.2015
Bilder: Ulrich Lohrer/immobilienreport