
Rund um die Balanstraße
Im Stadtviertel Balanstraße-West bei Ramersdorf finden sich hinter gewerblich genutzten Immobilien und Wohnanlagen vom Lärm abgeschirmt um Parkanlagen Einfamilienhäuser und Villen.
Südöstlich des Münchner Ostfriedhofs, zwischen der Balanstraße im Osten und den Gleißanlagen der S-Bahn-Linien S3 und S7, wohnen mehr als 14.500 Menschen. Viele der Anwohner glauben im Stadtteil Ramersdorf zu wohnen, doch die genaue Bezeichnung des Bezirksteils ist Balanstraße-West. Auch Ramersdorf-Süd oder Nußdorf wird manchmal die Gegend genannt, doch alle diese Namen sind nicht sehr verbreitet.
Dabei weist der Bezirksteil hinter den Geschosswohnungsbauten und gewerblich genutzten Gebäuden entlang der stark befahrenen Balanstraße, der Chiemgaustraße sowie den Bahngleisen vom Lärm abgeschirmte Einfamilien- und Doppelhäuser in überraschend grüner Umgebung auf (siehe Bild oben, links).
Die Gegend westlich von Ramersdorf und (Alt-)Perlach und nordöstlich des Perlacher Forst war lange Zeit unbebaut und wurde vorwiegend landwirtschaftlich genutzt. Nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 wurde mit dem Bahnhof Haidhausen (heute Ostbahnhof) für das neu gestaltete und stark erweiterte Haidhausen für Straßennamen die Namen siegreicher Schlachten im vorausgegangenen Krieg mit Frankreich verwandt. So bezieht sich die 1880 gebaute Balanstraße auf einen Ort bei Sedan: Balan war am 1. September 1870 Schauplatz einer bedeutenden Schlacht des deutsch-französischen Krieges, die letztlich über die französische Kapitulation entschied. In Folge der allgemeinen Industrialisierung wuchsen die Vorstädte Haidhausen und Giesing stark an und wurden zu Herbergsvierteln für Kleinhändler, Handwerker, Arbeiter und Tagelöhner.
Während sich Haidhausen ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts vor allem zum Wohnquartier von Arbeitern, Beamten und Angestellten entwickelte, siedelten sich südlich davon Kleingewerbe und Industriebetriebe an. Bereits seit dem 18. Jahrhundert nutzte die Familie Kustermann große Geländeabschnitte im heutigen Ramersdorf für ihre Eisenfabrikationsbetriebe und als Lagerflächen, darunter auch bis 1949 das Areal zwischen der Balanstraße, Claudius-Keller-Straße und St.-Martin-Straße.
Weiter südlich entstand 1920 an der Ständlerstraße mit der Stahlbetonkonstruktion der Tram-Werkstätte (heute MVG-Museum) durch Karl Stöhr eine „Kathedrale des Industriezeitalters“. Mit dem Bau der städtischen Großwohnanlagen in den 1920er-Jahren in Ramersdorf entstanden westlich davon auch individuell erbaute Wohnhäuser.
Die Südstadt: Unverwirklichtes NS-Großprojekt
Während der NS-Zeit sollte im Gebiet der Balanstraße zur Behebung des Wohnraummangels mit der Südstadt das größte Stadtteilprojekt entstehen. Die geplanten 14.500 Wohneinheiten sollten in sechs neuen Stadtteilen entlang einer Achse errichtet werden, die von dem noch zu errichtenden Gauzentrum am Gasteig bis zum Autobahnanschluss nach Salzburg (in der Nähe des Fasanengartens) reichen. Leiter des Projekts (1939-1943) war Wilhelm Sommerer. Die Häuser und die Einrichtung sollten genormt sein.
Als ein Mustergebäude wurde während des Zweiten Weltkrieges an der Prinzregentenstraße 99 – 111 von Fritz Norkauer und Walter Kratz der Wohnblock Neue Südstadt in Altbogenhausen im Münchner Stadtbezirk Bogenhausen errichtet. Mit den zwei integrierten Hochbunkern, in denen die Bewohner vor Luftangriffen geschützt werden sollten, spiegelt es die kriegerische Gesinnung des Regimes wider. Doch die völlige Ausrichtung auf den Krieg verhinderte auch das Entstehen der Südstadt, mit deren Bau nie begonnen wurde.
Siemens prägte das Viertel.
Der verlorene Krieg und die damit verbundene Teilung Deutschlands führte dazu, dass das Gebiet der südlichen Balanstraße in der Nachkriegszeit durch ein Industrieunternehmen geprägt wurde. 1949 verlagerte Siemens seinen Geschäftssitz nach München und erwarb eine Vielzahl von Anwesen im Münchner Stadtraum, um dort Geschäftsbauten, aber auch Wohn- und Freizeitanlagen für die Mitarbeiter zu errichten. In der Balanstraße 73 (siehe Bild links) wurde auf einem 100.000 Quadratmeter großen Gelände Verwaltungs-, Fertigungs- und Laboratoriumsbauten sowie einer Wohlfahrtsanlage nach einem Entwurf der Architekten Hans Maurer und Eduard von der Lippe errichtet.
Nach der zeitweiligen Nutzung durch die Siemens-Ausgründung Infineon befindet sich seit 2007 dort der Business-Campus Neue Balan der Allgemeine Südboden Grundbesitz. Auch die ehemaligen Siemens-Liegenschaften in der Werinher Straße und der St.-Martin-Straße hat der Konzern veräußert und werden mittlerweile zum Teil von anderen Großunternehmen wie Nokia Networks genutzt.
Wohnanlagen der GWG und der Kustermann-Park
In den 1950er-Jahren wurden zudem im Viertel größere Wohnanlagen, wie etwa die GWG-Siedlung (siehe zweites kleines Bild von links oben) vozwischen der Balanstraße und der Görzer Straße oder von 1983 bis 1991 die Wohnsiedlung Kustermann-Park (drittes linke Bild oon oben), gebaut.
Auch in jüngerer Zeit entstanden neue Wohnquartiere, wie etwa 260 Neubauwohnungen am Kaiserslauterner Platz durch die Optima-Aegidius Gruppe. Kleinere Wohnungsneubauten werdenl im Bereich des Grünstädter Parks errichtet.
Das größte Projekt ist jedoch der geplante Bau der neuen Realschule an der Aschauer Straße. Aktuell wird dort das Erdreich von Altlasten abgetragen. Eine gut Versorgung mit Schulen ist im Viertel auch notwendig. Schließlich wohnen rund um die Balanstraße relativ viele Familien mit Kindern.
Das Viertel in Zahlen
Balanstraße-West ist der westlichste Bezirksteil des 16. Münchner Stadtbezirk Ramersdorf - Perlach. Im Westen bildet die leicht geschwungene, nordsüdlich verlaufende Gleisanlage die Grenze zu Obergiesing und Südgiesing, beides Bezirksteile des Stadtbezirk Obergiesing – Fasangarten. Im Norden liegt die Viertel Obere Hau und Haidhausen des Stadtbezirks Au-Haidhausen. Die Grenze im Osten zum Nachbarviertel Ramersdorf verläuft entlang der Balanstraße und weicht dann entlang der Chiemgaustraße des Mittleren Rings bis zur Autobahnzufahrt zur Bundesautobahn A8 nach Osten ab. Diese bildet dann die Grenze zum Bezirksteil Altperlach bis zu dem Punkt, wo wieder die Gleisanlage von Westen verlaufend unter die A8 führt.
Einwohner: Das Durchschnittsalter ist unterdurchschnittlich, der Ausländeranteil überdurchschnittlich hoch.
Infrastruktur: Mit den S-BahnHaltestellen St.-Martin-Straße und Giesing ist das Viertel über die Linien S3 und S7 gut an den ÖPNV von München angebunden. Grünanlagen bieten die Parks an der Ruppertsberger Straße, Grünstädter Platz, die Bezirkssportanlage Ramersdorf sowie die umliegenden Großfriedhöfe. Einkaufsmöglichkeiten gibt es mit dem V-Markt im Norden und entlang der Balanstraße zwischen Chiemgaustraße und Ständlerstraße.
Immobilien: Aktuell gibt es kein Angebot an Neubauwohnungen und ein begrenztes an Bestandswohnungen.
Im Mietspiegel der Landeshauptstadt München 2017 wird das Viertel weitgehend als Wohnlage mit durchschnittlicher Lagequalität eingestuft. Der südlichste Bereich des Viertels, südlich der Mitterweg und der Lauensteinstraße wird als gute Wohnlagequalität bezeichnet.