
Ludwigsfeld: Wird sich die Einwohnerzahl vervierfachen?
Das im Nordwesten des Stadtbezirks Feldmoching-Hasenbergl gelegene Ludwigsfeld hat als ehemaliges Lager russischer Kriegsgefangene und KZ-Außenstelle eine tragische Vergangenheit. Die Stadtplaner sehen für die ländliche Gegend allerdings durch Nachverdichtung eine rosige Zukunft.
Ludwigsfeld, der nordwestlich an die Gemeinde Karlsfeld grenzende Bezirksteil des Stadtbezirks Feldmoching-Hasenbergl, liegt etwas versteckt zwischen Allacher Lohe und den östlich angrenzenden Feldern.
Das abgelegene Viertel soll nachverdichtet werden. Die Einwohnerzahl bei der Siedlung Ludwigsfeld könnte sich auf 5075 Einwohner vervierfachen, die Zahl der Wohnungen von rund 660 um bis 2100 Wohneinheiten erhöhen.
Außer einem Grundsatzbeschluss des Stadtrat-Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung zur „Nachverdichtung“ ist bislang nichts entschieden. Das geschätzte Neubauwohnungspotenzial erschließt sich aus einem Verkehrsgutachten, der untersuchte hat, wie viel Einwohner und Wohneinheiten aus dem resultierenden Verkehr mit der bestehenden Infrastruktur tragbar wäre. Dennoch befürchten einige Bewohner aufgrund des steigenden Zuzugs steigende Mieten. Die Grünen, seit der Kommunalwahl vom 29. März stärkste Fraktion im Münchner Stadtrat, haben beim Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) den Antrag auf Erlass einer Erhaltungssatzung für Ludwigsfeld gestellt. Damit sollen Eigenbedarfskündigungen der Vermieter verboten, Mieten gedeckelt und Sanierungen verhindert werden.
Dabei erscheint für die abgelegene Siedlung an der Autobahn A99 zwischen Äckern und Wald die von den Antragstellern heraufbeschworene Gefahr der Gentrifizierung auch in Boomzeiten recht unwahrscheinlich, während der Corona-Krise geradezu abstrus. Begründet wird der Antrag mit der historischen Sonderstellung der Siedlung als ehemaliges Außenlager des KZ Dachau.
Im Namen des Kronprinzen
Ludwigsfeld entstand auf dem Dachauer Moos, das aufgrund der Entscheidung des bayerischen Kurfürsten Maximilian IV. Joseph (ab 1806 König Maximilian I. Joseph) ab 1801 urbar gemacht wurde. Am 16. März 1802 wurden die Grundsteine für die ersten Gebäude der Ansiedlung Ludwigsfeld – darunter auch für eine Schule – entlang der alten Römerstraße gelegt. Der Torfabbau und die Eisgewinnung aus den dabei entstehenden Teichen bildete neben der Landwirtschaft die Grundlage für den bescheidenen Wohlstand Ludwigsfelds, das 1818 zur eigenständigen Gemeinde erhoben wurde.
Doch auch die Pferdezucht prägte die Gemeinde. So wurde zwischen dem heutigen Stiglmaierplatz und Ludwigsfeld jährlich ein Pferderennen, das sogenannte Scharlachrennen ausgetragen, das aber im Oktober 1810 anlässlich der Vermählung des bayerischen Kronprinzen Ludwig mit Therese von Sachsen-Hildburghausen auf der Theresienwiese stattfand und der Beginn des ersten Münchner Oktoberfests bildete. Später, ab 1890, kaufte Oberst Max von Lutz mehrere Anwesen in Ludwigsfeld und richtete dort ein Vollblutgestüt ein. Deren Traber waren bis in die 1990er- Jahre auf Bayerns Trabrennbahnen erfolgreich. 1939 enteignete die Deutsche Reichsbahn etwa die Hälfte des Guts Ludwigsfeld für den Bau des Rangierbahnhofs München-Nord. Schon zuvor war Ludwigsfeld zusammen mit Allach in München eingemeindet worden. Eine wichtige Rolle spielten in Ludwigsfeld zudem die Gärtnereien, von denen sich noch heute etliche im Viertel befinden.
Während des Zweiten Weltkriegs entstand dann nördlich des Dorfes Ludwigsfeld rund um das BMW-Werk für Flugmotoren, das ab 1936 in den Allacher Forst hineingebaut wurde, ein ganzes System an Lagern für Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge aus dem KZ Dachau.
So hatte BMW 1941 gegenüber ihrem Werk das Lager Ludwigsfeld errichtet. Östlich davon bestand vom 19. März 1943 bis zu seiner Befreiung am 30. April 1945 das KZ-Außenlager Allach mit zugehörigem OT- und Frauenlager, das zeitweise mit 20.000 Häftlingen belegt war. Noch in den letzten Kriegstagen starben Hunderte von Häftlingen des Außenlagers und von anderen zugeleiteten Evakurierungstransporten im sogenannten Todesmarsch.
Die amerikanischen Besatzungstruppen richteten in den geleerten Lagern Unterkünfte für Displaced Persons (DPs) – den in Deutschland heimatlos gewordenen Ausländern – sowie für deutsche Flüchtlinge und Vertriebene ein. 1952 errichtete der Bund im westlichen Teil des ehemaligen KZ-Außenlagers die Wohnsiedlung Ludwigsfeld mit 690 Wohnungen für ehemalige DPs und deutsche Flüchtlinge. Kennzeichen sind die nach Schmucksteinen benannten Straßennamen, ein Wahrzeichen der von vielen russischen Kriegsgefangenen bewohnten Siedlung ist die russisch-orthodoxe Kirche des heiligen Erzengels Michael. 2007 verkaufte die Bundesvermögensverwaltung die Siedlung Ludwigsfeld an das Immobilienunternehmen Patrizia, die das Angebot der Landeshauptstadt München mit dem Kaufpreis von 10,5 Millionen Euro überboten hatte. Es sollen etwa 1.800 bis 2.000 neue Wohnungen entstehen mit einem hohen Anteil an geförderten und bezahlbaren Wohneinheiten nach den neuen Vorgaben der Sozialgerechten Bodennutzung. Zudem soll die Infrastruktur deutlich verbessert werden: Geplant sind unter anderem ein Nachbarschaftstreff, Kindertagesstätten und eine Grundschule mit Sportplatz und Sporthalle. Das künftige Zentrum der Siedlung samt Supermarkt soll in der Nähe der Schule liegen und neue mit alter Bebauung verknüpfen. Verbesserungen wird es auch bei der Verkehrsanbindung geben. Mit der Siedlungserweiterung sollen zunächst Expressbusse die Menschen an die umliegenden S- Bahn-Stationen bringen, langfristig ist eine Anbindung ans Trambahnnetz angedacht.
Auch wenn es zu der Erweiterung der Siedlung nach Osten nicht so schnell kommen wird, so entstehen bereits aktuell im Viertel neue Wohnbauten. Die Sparkasse Dachau errichtet an der Straße Auf den Schrederwiesen eine Wohnanlage aus vier Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 14 Eigentumswohnungen. Angeboten wird darunter noch eine Vier-Zimmer-Dachterrassenwohnung mit 136 Quadratmeter Wohnfläche für 1,1 Millionen Euro. Dies dürfte für die meisten Ludwigsfelder wohl doch zu viel sein.
Das Viertel in Zahlen
Ludwigsfeld ist der nordwestlich gelegene Bezirksteil des Münchener Stadtbezirls Feldmoching-Hasenbergl. Westlich der Dachauer Straße liegt der Industriebezirk von Allach-Untermenzing, im äußersten Norden grenzt Ludwigsfeld zum Teil an die Gemeinde Karlsfeld. Im Nordosten befindet sich Feldmoching und im Osten der Bezirksteil Lerchenau-West. Die Gleisanlagen des Rangierbahnhofes im Süden bilden die Grenze zu Moosach.
Einwohner: Ludwigsfeld ist nicht nur einer der Münchner Bezirksteile mit den wenigsten Einwohnern, sondern auch mit der geringsten Einwohnerdichte. Der Ausländeranteil ist nur noch in Freiham und Kleinhesselohe höher.
Infrastruktur: Die Siedlung Ludwigsfeld ist mit der Busline an den ÖPNV angebunden. Eine gute Anbindung für den Autoverkehr besteht durch die Nähe der A99 mit der Autobahnzufahrt Ludwigsfeld. In der Siedlung gibt es ein Lebensmittelgeschäft. Freizeitmöglichkeiten bietet das Naturschutzgebiet Allacher Lohe und dessen See.
Immobilien: Aktuell wird nur das Neubauprojekt der Sparkasse Dachau zum Kauf angeboten.
Ulrich Lohrer, Stand: 12.05.2020