
St. Vinzenz bei Neuhausen: Jugendstil und Feinstaub
Ursprünglich war das heutige Viertel St. Vinzenz mit seinen prächtigen Mietshäuser im Jugendstil und Neurenaissance ein Teil von Neuhausen. Dann wurde die Landshuter Allee ausgebaut und teilte die Wohngegend. Ein Tunnel soll das beliebte und teuere Viertel wieder besser an Neuhausen anbinden.
Sankt-Vinzenz-Viertel werden Sie sich fragen, wo ist das denn?“, begrüßt der Viertel-Blog St. Vinzenz seine Leser. Und gibt dazu gleich die Antwort: „Das Viertel ist der südöstliche Teil von Neuhausen und wird begrenzt von Landshuter Allee, Nymphenburger Straße, Maillinger-, Mars- und Arnulfstraße. Durch den Bau der Landshuter Allee wurde dieses Kleinod vom restlichen Neuhausen abgeschnitten.“
Verwaltungstechnisch gehört St. Vinzenz allerdings nicht zu Neuhausen, sondern ist ein eigener Bezirksteil des 9. Münchner Stadtbezirks Neuhausen-Nymphenburg. Architektonisch ist das Viertel tatsächlich ein Kleinod. Die prächtige Bebauung und der Name lassen einen älteren Ursprung vermuten. Doch dies täuscht. Seinen Namen erhielt der Stadtteil nach der katholischen Pfarrkirche Sankt Vinzenz, die wiederum nach dem 1737 heiliggesprochenen französischen Priester Vincent de Paul (1581- 1660), dem Begründer der Caritas benannt wurde. Der unscheinbare Kirchenbau zwischen Birkerstraße und Klarastraße stammt aus den 1950er-Jahren.
In der Gegend des heutigen Viertels östlich des Dorfes Neuhausen lagen in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch unbebaute Wiesen. Sie wurden vom Fürstenweg, der heutigen Nymphenburger Straße, durchschnitten. Dieser verband die Residenz in München mit dem Schloss Nymphenburg, der Sommerresidenz der Bayerischen Herzöge und Könige. Den Fürstenweg durften allerdings nur bestimmte Personen wie der Adel benutzen, weshalb südlich davon die Blutenburgstraße entstand, das heutige Herz des Viertels St. Vinzenz.
Ab den 1860er-Jahren wurden dann vereinzelt an der Nymphenburger Straße (zum Beispiel Hausnummer 101, 103, siehe Bild oben links) Vorstadthäuser und einfache Mietshäuser im klassizistischen Stil errichtet, und um 1880 entstanden in den Querstraßen, auch in der parallel verlaufenden Blutenburgstraße (z. B. Hausnummer 61, 63, 65) Mietshäuser. Julius Hofmann, Innendesigner und Architekt von Herrschern wie den Habsburger Maximilian (Kaiser Maximilian von Mexiko) sowie dem Wittelsbacher König Ludwig II. und Prinzregent Luitpold, entwarf eine Villa in Naturstein und deutschen Renaissance-Stil in der Blutenburgstraße 41.
Mondän fielen auch die 1888 von Carl Wilhelm Warmbach entworfenen Mietshäuser an der Ecke Nymphenburger Straße (95), Ecke Elvirastraße (19) aus. Die Gebäude (siehe Bild oben links) im Stil der Neurenaissance wiesen Erker und reich gegliederte Fassaden auf.
Um diese Zeit setzte ein regelrechter Bauboom um die Nymphenburger Straße ein, sodass die gesamte Gegend bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs nahezu vollständig bebaut wurde. Davon profitierten vor allem Grundstückseigentümer wie der „Millionenbauer“ Lorenz Hauser, der sich aus seinen Grundstücksgewinnen ein Schloss in Allach errichten ließ, aber auch der Unternehmer und Brauereibesitzer Benno Danner (1857 – 1917), dessen Witwe Therese (1861 – 1934) das Vermögen 1920 in die Danner´sche Kunstgewerbestiftung einbrachte.
Innerhalb weniger Jahre wurde auf vielfältige Baustile zurückgegriffen. Während anfänglich der von Warmbach, aber auch von Johann Grübel verwendete Neurenaissance-Stil vorherrschte, griffen die Brüder Lorenz und Johann Grübel sowie Ludwig Catharinus (Alfonsstr. 11) später auf einen neubarocken Stil zurück. Danach herrschte unter Karl Fendt und Caspar Braun der Jugendstil vor. Beeindruckende Jugendstilhäuser stammen von Anton Hatzl (Gümbelstr. 2, 4, Bild links) und Richard Berndl (Hedwigstr 2, Nymphenburger Str. 118 – Bild links unten, 122). Und vom Jugendstil-Papst Martin Dülfer persönlich stammte das 1898 errichtete Bürogebäude im Areal des Bruckmann-Verlags (Lothstraße 3/Nymphenburger Str 86), das allerdings bereits im angrenzenden Viertel St. Benno in der Maxvorstadt liegt.
Das Viertel ist trotz vereinzelten Kriegsschäden weitgehend erhalten geblieben. Neu erbaut wurden Büro- und Wohngebäude in den 1990er-Jahren auf dem von der Firma Meiller gepachteten Areal der Danner-Stiftung. Um das Rondell des heutigen Therese-Danner-Platz entstanden die Bürogebäude Danner-Forum und Arnulfbogen sowie 100 Staatsbediensteten-Wohnungen.
Südlich der Arnulfstraße gehört der westliche Teil des nun nahezu fertiggestellten Quartiers Arnulfpark zu St. Vinzenz, in dem jedoch Bürogebäuden zahlenmäßig weit überwiegen.
In den vergangenen Jahren sind die Wohnungspreise und Mieten auch in St. Vinzenz stark gestiegen. Am teuersten ist es entlang der Nymphenburger Straße. Auf dem Grundstück der Hausnummer 124 stellte die Bayerische Hausbau 2014 ein großes Wohnhaus fertig. Die Klaus Lackhoff Wirtschaftsberatung bietet in dem Neubau ein ◊cooles Loft mit Dachterrasse und Panoramablick“ mit 219 Quadratmeter für knapp 3,3 Millionen Euro zum Kauf beziehungsweise für 6250 Euro pro Monat zur Miete an.
Eine Belastung stellt allerdings die Landshuter Allee als Teil des stark befahrenen Mittleren Rings dar. Spätestens seit ihrem Ausbau im Jahr 1972 wurde das heutige Viertel St. Vinzenz von Neuhausen abgeschnitten. Mit bis zu 150.000 Fahrzeugen am Tag ist sie die am stärksten belastete Hauptverkehrsstraße Münchens. Sie erlangte 2005 traurige Bekanntheit, weil an ihrer Messstation ein Wert erfasst wurde, der erstmals den EU-Grenzwert für Feinstaub überschritt.
Freuen dürften sich daher nun Anwohner und Eigentümer durch den Stadtratsbeschluss vom 11. November 2015. Er räumt den Bau eines auf rund eine halbe Milliarde Euro teuren Tunnels für die Landshuter Allee höchste Priorität ein. Auch die Fantasie der Projektentwickler wird angeregt: Durch den Tunnel könnten oberirdisch Platz für bis zu 1100 neue Wohnungen entstehen – frühestens aber wohl erst im Jahr 2030.
Das Viertel in Zahlen
St. Vinzenz ist heute ein Bezirksteil des Stadtbezirks Neuhausen-Nymphenburg und war ehemals ein Teil von Neuhausen. Heute trennt die Landshuter Allee im Westen St. Vinzenz von Neuhausen sowie im Norden vom Nachbarviertel Dom Pedro. Die Albrechtstraße bildet im Nordosten die Grenze zum Viertel Alte Kaserne, das ebenfalls ein Bezirksteil von Neuhausen-Nymphenburg ist. Im Osten grenzt St. Vinzenz an die Maxvorstadt mit ihren Bezirksteilen St. Benno gegenüber der Lothstraße sowie dem Marsfeld östlich der Maillingerstraße. Der westliche Teil des Quartiers Arnulfparks ab der Helmholtzstraße gehört also noch zu St.Vinzenz. Südlich der Bahnlinie liegt das Westend, einem Viertel des Stadtbezirks Schwanthalerhöhe.
Einwohner: Der Bezirksteil ist flächenmäßig eines der kleinsten, aber gleichzeitig eines der am dichtesten bewohnten Viertel in München. Es gibt überdurchschnittlich viele Single-Haushalte und wenig Familien mit Kindern.
Infrastruktur: Es besteht Anschluss an die S-Bahn (Donnersberger Brücke) und U-Bahn (Maillingerstr.). Einkaufsmöglichkeiten gibt es in der Nymphenburger Straße. Im Viertel gibt es mehrere Schulen, darunter das renommierte Rupprecht-Gymnasium.
Wohnimmobilien: Bezogen auf den Bestand werden kaum Miet- und Eigentumswohnungen angeboten. Sehr große Unterschiede zwischen Bestandsmieten für unrenovierte Wohnungen und Angebotsmieten für sanierte Altbauten.
Denkmalgeschützte Gebäude Im Viertel gibt es außergewöhnlich viele Baudenkmäler. Es sind nach Straßen geordnet die Gebäude mit den jeweiligen Hausnummern. Nördlich der Nymphenburger Straße die Albrechtsstraße (7 Gymnasium, 30, 31, 32, 35, 37, 41, 43, 45, 47), die Alfonsstraße (8 Schule, 11,), Hedwigstraße (2, 3, 9, 11, 12), Horemannstraße (29, 31), die Jutastraße (3, 4, 9, 10, 13, 15, 18, 24, 26, 28) sowie die Neustätterstraße (1, 3, 4, 6) und Olgastraße (5, 7, 9,)
In dem zu St.Vinzenz zugehörigen Teil der Nymphenburger Straße sind die Häuser mit den Hausnummern 79, 95, 96, 98, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 109, 118, 122, 125 (Rückgebäude), 137, 139 sowie 145 denkmalgeschützt.
Zu den Baudenkmäler südlich der Nymphenburger Straße sind Häuser in der Blutenburgstraße (31, 35, 37, 39, 41, 49, 51, 55, 57, 59, 61, 63, 65, 71, 72-74-76, 80, 83, 88, 91, 93, 94, 98, 100-102, 104, 106, 108, 110, 112), der Elvirastraße (1, 3-5, 4, 9, 10), der Gabrielenstraße (4), der Klarastraße (1) sowie der Maillingerstraße (2, 12, 32, 34) Baudenkmäler.
Text und Fotografien: Ulrich Lohrer